Rechtslage
Verteilernetze innerhalb der EU sind regulierungsbedürftig, um faire und wettbewerbsorientierte Elektrizitätsmärkte sicherzustellen. Der Begriff des Verteilernetzes ist entscheidend für die Regulierung und beeinflusst, welche Netzkonstellationen den strengen Vorgaben der Netzregulierung unterliegen.
Der deutsche § 3 Nr. 24a EnWG regelt sogenannte „Kundenanlagen“. Mit dieser Regelung wollte Deutschland eine Ausnahme vom Begriff des Verteilernetzes etablieren. Kundenanlagen sind von der Netzregulierung ausgenommen. Die Zulässigkeit begründete der Gesetzgeber mit dem minimalen Einfluss auf den Wettbewerb.
Entscheidung des EuGH
Im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens, beantragt durch den Bundesgerichtshof (BGH), wurde die Vereinbarkeit dieser deutschen Regelung mit unionsrechtlichen Vorgaben geprüft. Der EuGH entschied, dass die deutsche Regelung unionsrechtswidrig ist.
Der EuGH stellte dabei klar, dass der Begriff des Verteilernetzes unionsrechtlich ausschließlich anhand der folgenden zwei Kriterien definiert werden darf:
- Spannungsebene (Hoch-, Mittel- oder Niederspannung),
- Kundentypen, die über das Netz beliefert werden.
Nationale Gesetzgeber dürfen keine zusätzlichen Kriterien einführen, um bestimmte Netzkonstellationen aus dem Begriff des Verteilernetzes auszuschließen. Ausnahmen sind nur dann zulässig, wenn sie explizit in der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie vorgesehen sind, wie zB bei geschlossenen Verteilernetzen oder Bürgerenergiegemeinschaften.
Darüber hinaus betonte der EuGH die Bedeutung von Verteilernetzen für wettbewerbsfähige und transparente Elektrizitätsmärkte sowie für die Sicherstellung erschwinglicher Energiepreise.
Auswirkungen für Österreich
Obwohl das EuGH-Urteil in einem Vorabentscheidungsverfahren zur deutschen Rechtslage ergangen ist, hat es auch Bedeutung für Österreich. Das österreichische ElWOG setzt die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie um. Aktuell liegt der Entwurf eines neuen ElWG vor, dessen Beschluss dringend erwartet wird (mehr dazu im MANZ Podcast Recht aktuell: Was ist und wie funktioniert dezentrale Energieversorgung? Mit Marie Sophie Reitinger).
Nach dem Urteil des EuGH gilt nunmehr jede Leitungskonstellation, über die Dritte beliefert werden, als regulierungsbedürftiges Netz, es sei denn, die Richtlinie sieht explizite Erleichterungen vor.
Bald könnten sich jedoch neue Möglichkeiten eröffnen. So sieht der Entwurf des ElWG eine Umsetzung der Regelungen zu geschlossenen Verteilernetzen nach der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (als Gestaltungsrecht des Betreibers) vor, wobei ein Antrag zur Befreiung von der Regulierung erforderlich sein wird. Ohne Antrag sollen sie diese Netze auch weiterhin als regulierungsbedürftige Verteilernetze gelten. Dabei gilt es jedoch strikte Voraussetzungen einzuhalten. So sollen insbesondere keine Haushaltskunden über dieses Netz versorgt werden dürfen.
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Link zum Urteil des EuGH: EUR-Lex - 62023CJ0293 - EN - EUR-Lex