Morgenkaffee und Hausdurchsuchung - Novelle zur Strafprozessordnung

Was der Morgenkaffee mit einer Hausdurchsuchung gemein hat, ist, dass beides meistens zur Unzeit kommt. Zutreffend spricht der angloamerikanische Rechtsraum daher auch von „Dawn Raid“. Mit 1.1.2025 traten mit BGBl. I Nr. 157/2024 aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (G 352/2021-46) umfassende Änderungen in der Sicherstellung und Auswertung von Datenträgern (bisher auch bekannt als „Handy Sicherstellung“) in Kraft. Die Novelle betrifft zwar nicht die Regelungen der Hausdurchsuchung, aber so wie der Kaffee am Morgen, kommt auch eine Hausdurchsuchung selten alleine.  

Beschlagnahme von Datenträgern und Daten – Was ist neu?

Einfach gesagt: Alles. So war die Sicherstellung von Daten bisher einfach gar nicht (gesondert) geregelt, vielmehr folgte diese den allgemeinen Regelungen zur Sicherstellung von Gegenständen, wie beispielsweise der Tatwaffe. Anders als ein „Küchenmesser“ ist aber bereits auf den ersten Blick erkennbar, dass ein Datenträger wie zum Beispiel ein Mobiltelefon vielfach mehr an Informationen preisgibt, als ein sonstiger physischer Gegenstand. So verschafft die Auswertung eines Mobiltelefons und damit vielfach auch der einhergehende Zugriff auf weitere Datenspeicherorte, wie zB Clouds, Einblick in einen enormen Datenbestand, der nicht nur Aufschluss über den konkreten Verdacht geben kann, sondern neben wirtschaftlich sensiblen auch höchstpersönliche Daten freigibt.

Die Strafprozessordnung regelt daher nun erstmals i) die Beschlagnahmevoraussetzungen von Datenträgern und Daten, ii) die Auswertung von Daten, und iii) konkrete Rechtsschutzmöglichkeiten für Beschuldigte und Betroffene. 

Wesentliche Ausweitung des Rechtsschutzes

  1. Gerichtliche Bewilligung

So wie die Hausdurchsuchung bedarf nunmehr auch die Beschlagnahme von Daten und Datenträgern einer vorangehenden gerichtlichen Bewilligung. Diese hat, neben der Beschreibung der Tat, bereits eine Präzisierung der Datenkategorien und Dateninhalte zu umfassen. Insbesondere ist dies für Unternehmen von Relevanz, sodass ein (der bisherigen Praxis entsprechendes) ungefiltertes Durchsuchen von Daten vermeiden werden kann. Zwar sind „Zufallsfunde“ noch immer möglich, jedoch gibt es nunmehr erstmals Möglichkeiten, konkrete Ergebnisse (zB, wenn diese für kein Strafverfahren von Bedeutung sein können) löschen zu lassen.  

  1. Definition von Suchparametern

Vollkommen neu ist in diesem Sinne auch die Ausgestaltung zur konkreten Auswertung der sichergestellten Daten. Die Staatsanwaltschaft hat Suchparameter zu spezifizieren und muss diese – auch gänzlich neu – gegenüber dem Beschuldigten oder sogar (nur) dem „Betroffenen“ offenlegen. Sowohl Beschuldigter als auch Betroffene wiederum können weitere, Suchparameter, zB zur Ermittlung eines konkreten (gegenteiligen) Beweises, beantragen. 

  1. Erweiterung des Rechtsschutzes

Neben der Einholung einer gerichtlichen Bewilligung ist nunmehr wesentlich, dass zwingend ein Rechtsschutzbeauftragter beizuziehen ist. Zentral ist auch, dass lediglich (von der Beschlagnahme der Daten) „Betroffene“ die Möglichkeit eingeräumt wird, auf die Ergebnisse der Datenauswertung einzuwirken, indem diese beispielsweise Löschungsanträge (zB von privaten Bildern) stellen können. Auch dem Beschuldigten stehen stärkere Rechtsschutzmöglichkeiten offen, so ist unter gewissen Voraussetzungen bei Aufhebung einer (unrechtmäßigen) Beschlagnahme sogar die Vernichtung der Daten anzuordnen. Das stellt wahrlich ein Novum dar, kannte die Strafprozessordnung bisher nämlich nur in Einzelfällen, wie zB bei der Verletzung des Briefgeheimnisses, die verpflichtende Vernichtung von einmal gewonnenen Beweismitteln.  

Was gilt nunmehr konkret bei einer Hausdurchsuchung und der Beschlagnahme von Mobiltelefonen von Mitarbeitern?

So wie auch bisher sind sämtliche Personen, die von einer Sicherstellungsanordnung betroffen sind, verpflichtet mitzuwirken und - sofern es sich um Zeugen handelt - wohl auch verpflichtet wahrheitsgemäß zB das Passwort für Mobiltelefone zu nennen. Ebenso gilt aber auch wie bisher, dass nur das gelindeste Mittel Anwendung finden darf und beispielsweise Kopien herzustellen sind, als die gesamte Hardware oder sämtliche Gegenstände sicherzustellen. Ob das beschlagnahmte Mobiltelefon (auch) privat genutzt wird oder nicht, ist wiederum grundsätzlich irrelevant, solange dieses von der Sicherstellungsanordnung umfasst ist. Nur rein private Geräte würden wohl häufig von der Anordnung nicht betroffen sein. Sollten diese – entgegen der Sicherstellungsanordnung – von der Kriminalpolizei dennoch beschlagnahmt werden, können hiergegen Rechtsmittel ergriffen werden. 

Ausblick und Fazit

Die Novelle bringt (lange überfällige) Vorgaben zur Beschlagnahme und insbesondere der Auswertung von Daten. Ob die Rechtsschutzbestimmungen, wie etwa die vorangehende gerichtliche Bewilligung, in der Praxis ebenfalls halten, was sie versprechen, wird sich erst zeigen. Auch allenfalls auf Daten gewonnene „Zufallsfunde“, die auf andere strafbare Handlungen schließen lassen als jene, nach denen „ausgewertet“ wurde, sind nach wie vor rechtmäßig. Daher gilt noch immer, dass bei Hausdurchsuchungen, unverzüglich zu reagieren ist und bestenfalls sogleich Experten wie Wirtschaftsstrafrechtsanwälte hinzugezogen werden sollten. Denn was vorab gar nie beschlagnahmt wird und sohin in einem „Akt“ landet, muss später auch nicht (mühsam) mit Anträgen und Beschwerden vor Gericht erkämpft werden. Dies gilt umso mehr bei Unternehmen alleine schon aufgrund deren schieren Menge an Daten und unterschiedlichsten Interessenslagen, wie allenfalls (nicht von der Sicherstellungsanordnung umfasste) Tochterunternehmen oder von Mitarbeitern privat genützten Datenträgern. Philipp Stadtegger und das Wirtschaftsstrafrechtsteam stehen Ihnen für Fragen sowie für den „Ernstfall“ jederzeit zur Verfügung.