Massive Haftungserweiterung durch den OGH
Der gewerberechtliche Geschäftsführer ist der Behörde gegenüber für die Einhaltung der Gewerbevorschriften und dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes, insbesondere für die Einhaltung der Grenzen der Gewerbeberechtigung verantwortlich. Dieses Gebot soll nach seinem Zweck sicherstellen, dass für die Ausübung des Gewerbes die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vorliegen und auf mangelnde Sachkunde zurückzuführende Gefahren vermieden werden. Bis dato war die Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers eine primär verwaltungsstrafrechtliche Haftung für die in der Gewerbeordnung (GewO) vorgesehenen Verwaltungsstrafen, die in der Regel EUR 3.600 oder weniger betragen - ein überschaubares Risiko! Zivilrechtlich konnte er nur gegenüber dem Betriebsinhaber haftbar gemacht werden.
Zivilrechtliche Haftung auch gegenüber Dritten:
Gefährdungsverbot und Schutz der Kunden
Erstmals in 5 Ob 57/17s hielt der OGH darüber hinaus fest, das Gebot der Einhaltung der Grenzen der Gewerbeberechtigung würde auch der Gefahrenabwehr dienen und solle damit den Kunden vor Schäden bewahren. Der Gerichtshof qualifizierte die Regelung des § 39 Abs 1 GewO (zum gewerberechtlichen Geschäftsführer) in Verbindung mit den Strafnormen der GewO als Schutzgesetz. Demnach würde der gewerberechtliche Geschäftsführer auch gegenüber einem Dritten, dh einem Auftraggeber, für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften haften. Dies kommt einem Paradigmenwechsel gleich. Gewerberechtliche Geschäftsführer trifft sohin künftig ein weit größeres Haftungsrisiko als bisher! Eine umfassende und effiziente Überwachung der Betriebsabläufe durch den gewerberechtlichen Geschäftsführer ist daher - mehr als - "angesagt".
Der Anlassfall
Im Jahr 2012 beauftragten die Eigentümer eines Kleingartens in Wien die X-GmbH mit dem Aushub einer Baugrube zur Errichtung eines Hauses. Aufgrund der Hanglage wären zur Abstützung der Baugrube Absicherungsmaßnahmen erforderlich gewesen. Für den Aushub wären statische Kenntnisse erforderlich gewesen. Die (erst-)beklagte X-GmbH hätte derartige Arbeiten nicht ausführen dürfen, weil sie nur über die Gewerbeberechtigung als Deichgräber (Erdbewegung) verfügte. Am 25.10.2012 kam es auf der Liegenschaft zu einer Hangrutschung, wodurch die Baugrube einstürzte. Die Eigentümer eines Kleingartens (Kläger) begehrten daraufhin Schadenersatz. Erstbeklagt war die X-GmbH als Auftragnehmerin, zweitbeklagt der gewerberechtliche Geschäftsführer. Der OGH kam zum Schluss:
"Bei Verletzung eines Schutzgesetzes haftet der Beklagte für alle Nachteile, die bei Einhaltung des Schutzgesetzes nicht eingetreten wären. Hätte der Zweitbeklagte seine aus § 39 Abs 1 GewO resultierende Verpflichtungen eingehalten, so hätte der Aushub der Baugrube durch die Erstbeklagte unterbleiben müssen. In der Folge wäre ein befugter Gewerbeberechtigter (Baumeister) beigezogen worden, sodass die hier zu beurteilenden Schäden vermieden worden wären."
Beweislastverteilung
Der Geschädigte (dh der Auftraggeber) hat den Eintritt des Schadens, dessen Höhe und die Verletzung der Überwachungspflichten durch den gewerberechtlichen Geschäftsführer zu beweisen. Die Kausalität für die Schadenfolgen wird vermutet (Anscheinsbeweis).
Verschuldenshaftung
Die Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers im konkreten Fall ist eine Verschuldungs- und keine Erfolgshaftung. Allerdings muss der gewerberechtliche Geschäftsführer beweisen, dass ihn an der Übertretung der einschlägigen Vorschriften der GewO keine subjektive Sorgfaltswidrigkeit trifft. Steht die Übertretung des Schutzgesetzes fest, kann sich ein gewerberechtlicher Geschäftsführer somit von seiner Haftung nur dadurch befreien, dass er mangelndes Verschulden seiner Leute nachweist oder die Kausalität der Pflichtwidrigkeit ernsthaft zweifelhaft macht. Hätte der gewerberechtliche Geschäftsführer im Anlassfall seine Verpflichtung eingehalten, hätte der diese Arbeiten aufgrund der vorhandenen Gewerbeberechtigung nicht durchführen und einen befugten Gewerbeberechtigten beiziehen müssen. Der Aushub der Baugrube durch die X-GmbH wäre dann unterblieben.
Fazit: Haftungsabsicherung
Die Entscheidung des OGH hat zur Folge, dass der gewerberechtliche Geschäftsführer bei der Verletzung von gewerberechtlichen Vorschriften nicht nur gegenüber dem Gewerbeinhaber, sondern auch gegenüber unmittelbar betroffenen Dritten (Auftraggebern) zivilrechtlich persönlich haftet, was in der Praxis insbesondere im Fall der Insolvenz der Gewerbeinhaberin (Unternehmerin) bedeutsam sein kann. Die Entscheidung führt aber zu keiner Änderung oder Erweiterung der Pflichten. Da eine pauschale Haftungsfreizeichnung durch das betroffene Unternehmen (rechtlich) nicht in Frage kommt, werden wohl Versicherungslösungen künftig auch in diesem Bereich eine größere Rolle spielen.