Handelsvertreterverträge

Welche Auswirkungen haben die behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 auf Provisionsansprüche des Handelsvertreters? Wann muss ein Unternehmer bei Covid-19 bedingter Nichtausführung eines vermittelten Geschäfts trotzdem Provision zahlen?

Übersicht

Fragen und Antworten:

Allgemeines über Entstehung und Entfall des Provisionsanspruchs eines Handelsvertreters

Voraussetzung für das Entstehen des Provisionsanspruchs eines Handelsvertreters ist insbesondere die Rechtswirksamkeit des vom Handelsvertreter an den Unternehmer vermittelten Geschäfts und grundsätzlich auch dessen Ausführung.

Spätestens entsteht der Provisionsanspruch dann, wenn der Dritte seinen Teil des Geschäfts ausgeführt hat oder ausgeführt haben müsste, hätte der Unternehmer seinen Teil des Geschäfts ausgeführt (§ 9 Abs 2 HVertrG).

Nach § 9 Abs 3 HVertrG entfällt der Anspruch auf Provision, wenn und soweit feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Unternehmer nicht ausgeführt wird und die Nichtausführung nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind.

Es wird somit grundsätzlich darauf abgestellt, wessen Sphäre das eingetretene Risiko, das zur Nichtausführung des Geschäfts geführt hat, zuzurechnen ist.

Die Fragen, die sich nun im Zusammenhang mit Covid-19 stellen, sind insbesondere: Hat der Handelsvertreter einen Provisionsanspruch, wenn das von ihm vermittelte Geschäft aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 (i) vom Unternehmer oder (ii) vom Dritten nicht ausgeführt wird oder (iii) es zu einer einvernehmlichen Stornierung des Geschäfts kommt?

Im Folgenden werden diese Fragen nach österreichischem Handelsvertreterrecht beantwortet. Obwohl § 9 Abs 2 HVertrG (späteste Zeitpunkt des Entstehens des Provisionsanspruches) und § 9 Abs 3 HVertrG (Entfall des Provisionsanspruchs) zwingendes Recht sind, von dem vertraglich nicht zum Nachteil des Handelsvertreters abgewichen werden kann, gibt es sehr wohl einzelne Aspekte der vorstehenden Fragen, die vertraglich wirksam geregelt werden können. Solche vertraglichen Regelungen können unter Umständen zu anderen Antworten auf die vorstehenden Fragen führen. Daher wäre für den konkreten Einzelfall auch der jeweilige Handelsvertretervertrag zu prüfen.

Hat der Handelsvertreter einen Provisionsanspruch, wenn das vermittelte Geschäft aufgrund der behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 vom Unternehmer nicht ausgeführt wird?

Entscheidend für den Entfall des Provisionsanspruchs ist grundsätzlich, dass das vermittelte Geschäft aus Gründen, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind, nicht ausgeführt wird. Auf ein Verschulden des Unternehmers kommt es dabei nicht an.

Für den Entfall des Provisionsanspruchs muss der Unternehmer somit nachweisen, dass er die Umstände, auf denen die Nichtausführung des vermittelten Geschäfts (wie etwa Lieferung von Produkten) beruht, nicht zu vertreten hat. Diese Beurteilung hat nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu erfolgen; eine Gesamtwürdigung aller Umstände unter angemessener Berücksichtigung der wirtschaftlichen Gegebenheiten ist geboten.

Dabei hat der Unternehmer nach der Sphärentheorie Hindernisse im eigenen Betrieb oder bei der eigenen Finanzierung, Verschulden von Erfüllungsgehilfen, Beschaffungsprobleme der zu liefernden Ware, Lieferschwierigkeiten, Arbeitskräftemangel, etc als ihm zurechenbare Risiken (unternehmerischer Risikobereich) zu vertreten.

Nicht zu vertreten sind hingegen Umstände, die in der Person des Dritten (Kunden) liegen oder auf höhere Gewalt zurückzuführen sind. Höhere Gewalt liegt etwa bei Überschwemmungen, Streiks der Mitarbeiter des Unternehmers, unvorhersehbaren plötzlichen staatlichen Zwangsmaßnahmen oder bei unvorhergesehen Eingriffen wie Material-, Transport-, oder Export- und Importsperren vor. So qualifizierte der OGH im Zusammenhang mit Reiseverträgen bereits den Ausbruch der Infektionskrankheit SARS als eine Unzumutbarkeit infolge höherer Gewalt.

Der Ausbruch von Covid-19 samt den dadurch ergangenen staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung von dessen Verbreitung ist wohl als ein solcher Fall von höherer Gewalt einzustufen. Auf diesem Umstand beruhende Betriebs- oder Lieferstörungen sind somit grundsätzlich nicht vom Unternehmer zu vertreten.

Kann der Unternehmer somit seine Leistungen aus dem vermittelten Geschäft (wie etwa Lieferung von Waren oder Lieferung noch herzustellender Produkte) an den Dritten (Kunden) aufgrund der staatlichen Covid-19-Maßnahmen, endgültig nicht erbringen, sprechen wohl die überwiegenden Argumente dafür, dass der Provisionsanspruch des Handelsvertreters entfällt.

Anders wird das zu beurteilen sein, wenn der Unternehmer die relevanten Liefer- oder Transportschwierigkeiten aufgrund der Covid-19-Maßnahmen zum Zeitpunkt der Geschäftsvermittlung bereits kannte bzw diese bereits ausreichend absehbar waren, er aber das Geschäft dennoch abgeschlossen hat. Durch diese bewusste Inkaufnahme des Risikos wird man behaupten können, dass die Nichtausführung des Geschäfts vom Unternehmer zu vertreten ist und der Provisionsanspruch des Handelsvertreters nicht entfällt.

Hat der Handelsvertreter einen Provisionsanspruch, wenn das vermittelte Geschäft aufgrund der behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 vom Dritten (Kunden) nicht ausgeführt wird?

Umstände, die in der Person des vermittelten Dritten (Kunden) liegen, sind grundsätzlich nicht vom Unternehmer zu vertreten. In der Person des Dritten liegende Gründe sind häufig drohende Insolvenzgefahr, Zahlungsschwierigkeiten oder Einstellung der Zahlungen.

Etwaige Auswirkungen der Covid-19-Maßnahmen auf die Ausführung der Leistung des vermittelten Vertragspartners (wie etwa vermehrte Zahlungsschwierigkeiten) sind daher ebenso nicht vom Unternehmer zu vertreten.

Beruht das Unterbleiben der Ausführung des Geschäfts somit auf diesen nicht vom Unternehmer zu vertretenden Umständen, hat der Provisionsanspruch des Handelsvertreters grundsätzlich zu entfallen.

Bei Zahlungsverzug des Dritten hat der Unternehmer allerdings nachzuweisen, alle zumutbaren Schritte unternommen zu haben, um den Dritten zur Leistung zu veranlassen.

Entfällt der Provisionsanspruch wegen Nichtleistung des Dritten, so sind etwa schon gezahlte Provision und Vorschüsse vom Handelsvertreter zurückzuzahlen.

Wie wirkt sich eine einvernehmliche Auflösung des vermittelten Geschäfts auf den Provisionsanspruch des Handelsvertreters aus?

Zu vertreten hat der Unternehmer die Nichtausführung des Geschäfts auch dann, wenn beide Vertragsteile den Vertrag unausgeführt lassen oder einvernehmlich wieder aufheben.

Nimmt somit der Unternehmer eine Auftragsstornierung einfach an oder einigt sich mit dem Dritten (Kunden) darauf, wäre die Nichtausführung des Geschäfts grundsätzlich von ihm zu vertreten und der Provisionsanspruch des Handelsvertreters bliebe aufrecht.

Der Wunsch eines Kunden, einen Auftrag zu stornieren, mag zwar vor dem Hintergrund der aktuellen Covid-19-Maßnahmen verständlich sein, wird die Ausführung des Geschäfts für den Unternehmer aber nicht ohne Weiteres unmöglich bzw unzumutbar machen. Dem Unternehmer obliegt es, sich darum zu bemühen, dass das Geschäft ausgeführt wird. In mehreren Fällen wird die Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer ja noch möglich sein oder sich nur auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.

Somit lässt eine Auftragsstornierung auf Wunsch bzw im Einvernehmen mit dem Kunden auch unter den aktuellen Umständen den Provisionsanspruch des Handelsvertreters grundsätzlich unberührt.

Anders wird dies wohl zu beurteilen sein, wenn bereits vor Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer der Dritte seine Leistung (etwa die ihm obliegende Abnahme oder sonstige Erfüllung) verweigert und der Unternehmer deswegen von der Ausführung des Geschäfts absieht. Hier kann argumentiert werden, dass ein Provisionsanspruch des Handelsvertreters dann nicht besteht, wenn dem Unternehmer die Ausführung des Geschäfts dadurch (ohne Verschulden) unmöglich geworden oder nicht zumutbar ist.

Ein weiterer Grund für ein Nichtvertretenmüssen des Unternehmers kann unter Umständen zB dann gegeben sein, wenn es sich um einen guten, wichtigen Kunden handelt, der im Falle der Nichtstornierung des vermittelten Geschäfts mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen droht.