Die Berücksichtigung von vergabefremden Aspekten, wie des Umwelt- und Klimaschutzes oder der Nachhaltigkeit, sind im Vergaberechts nichts gänzlich Neues, aber wird in nächster Zeit noch mehr an Bedeutung zulegen!
Das Vergaberecht ist Wettbewerbsrecht. Es soll den Staat zwingen, in wettbewerblichen Verfahren Beschaffungen durchzuführen, um mit staatlichen Mitteln möglichst sparsam umzugehen. Gleichzeitig soll durch den Vergabewettbewerb die dominierende Stellung des Staats beschränkt werden. "Vergabefremde Aspekte" in Ausschreibungen, insbesondere im Rahmen der Bestbieterermittlung waren daher eigentlich verpönt. Trotzdem haben sie sich ins Vergaberecht "eingeschlichen" und haben mittlerweile eine durchaus prominente Stellung erreicht. Das Vergaberecht wird vom Wettbewerbsrecht zum Recht der Wirtschaftslenkung, weil bestimmte vergabefremde Aspekte – wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz – bei öffentlichen Auftragsvergaben berücksichtig bzw gefördert werden sollen. Deshalb gibt es schon lange die Diskussion, inwieweit Umweltaspekte im Vergabeverfahren berücksichtigt werden dürfen und vor allem auch berücksichtigt werden sollen. Das Vergaberecht hat sohin einen "Sekundärzweck" bekommen: die Nachhaltigkeit und den Umweltschutz. Die EU-Kommission hat hierzu – schon vor den "neuen" Vergabe-Richtlinien – eine Mitteilung über die Berücksichtigung von Umweltbelangen als auch ein Handbruch zur umweltorientierten Beschaffung herausgegeben. Bereits das Bundesvergabegesetz 2002 bzw dessen Grundsätze verlangten eine Berücksichtigung von umweltrelevanten Aspekten, zB bei den Lebenszykluskosten eines Produktes. In den Gesetzesmaterialien zum Bundesvergabegesetz ("BVergG") 2006 wurden auch Umwelteigenschaften demonstrativ als zulässige Zuschlagskriterien aufgezählt
In den Grundsätzen des Vergabeverfahrens im BVergG 2018 findet sich – ganz ähnlich dem schon bisherigen Gebot – die Vorgabe, auf die "Umweltgerechtheit" der Leistung Bedacht zu nehmen. Neu im Vergleich zum BVergG 2006 ist aber die Erwähnung der Materialeffizienz, der Abfall- und Emissionsvermeidung und des Bodenschutzes. Eine materielle Änderung war damit aber nicht verbunden. Konkreter ist der Gesetzgeber bei den besonderen Bestimmungen zur Beschaffung von Straßenfahrzeugen. Hier hat der Auftraggeber betriebsbedingte Energie- und Umweltauswirkungen wie Energieverbrauch, CO2-Emissionen etc während der gesamten Lebensdauer zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung der Umweltgerechtheit kann gleich an mehreren Stellen erfolgen – so können diese vergabefremden Aspekte bei der Beschreibung der Leistung, bei der Festlegung der technischen Spezifikationen, durch die Festlegung konkreter Zuschlagskriterien oder durch entsprechende Bedingungen im Leistungsvertrag erfolgen. Die Auftraggeber haben somit einen weiten Gestaltungsspielraum.
Das öffentliche Beschaffungswesen wird sowohl in Österreich als auch in der Europäischen Union als ein wirkungsvolles Werkzeug zum Ausbau und zur Förderung des Umwelt- und Klimaschutzes angesehen. Auch im aktuellen Regierungsprogramm hat sich die Regierung zu einer nachhaltigen öffentlichen Vergabe bekannt und betont, dass sie das Vergaberecht als "wichtigstes Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels" nutzen wird. Es sollen das Bestbieterprinzip um verbindliche ökologische Kriterien für die angebotenen Produkte und Dienstleistungen erweitert und die Regionalität (im Rahmen EU-rechtlicher Vergaberichtlinien) gestärkt werden. Konkreteres lässt sich aus dem Regierungsprogramm nicht entnehmen und bisher kam es auch zu keinen legistischen Anpassung.
Mit dem "Green Deal "der EU und dem Aufruf einiger Länder – darunter auch Österreich – zu einem "grünen Wiederaufbau" nach der Corona-Krise kann es eigentlich nicht anders sein, als dass die Berücksichtigung der Umweltgerechtheit in Vergabeverfahren weiter im Kurs steigt, ist doch ein Hochfahren der öffentlichen Investitionen ein ganz entscheidender Schritt um die Konjunktur zu beleben.