Seit In-Kraft-Treten der DSGVO stellt sich die Frage, ob neben den vom Datenschutzverstoß Betroffenen auch klagsbefugte Verbände oder Mitbewerber eine DSGVO-Verletzung aufgreifen können. Der OGH lehnte dies 2019 ab (OGH 4 Ob 84/19k). So sei das Recht auf Datenschutz – vergleichbar mit dem Urheberrecht – nur persönlich geltend zu machen und betreffe keine schützenswerten Belange der Allgemeinheit. Folglich könne eine DSGVO-Verletzung keinen unlauteren Rechtsbruch begründen. Mit einer möglichen Vollharmonisierung der DSGVO in diesem Bereich und der darauf basierenden Unanwendbarkeit nationaler Regelungen (= Sperrwirkung) setzte sich das Höchstgericht explizit nicht auseinander. Diese Entscheidung stieß auf breite Kritik. Nun bringt der EuGH mit seinem aktuellen Urteil C‑21/23 frischen Wind in die Debatte. Unsere DORDA Experten haben die wichtigsten Erkenntnisse mit Blick auf deren Auswirkungen in Österreich gerne für Sie zusammengefasst:
DSGVO steht Geltendmachung durch Mitbewerber nicht entgegen
Anlassfall ist eine Unterlassungsklage nach dem deutschen UWG wegen angeblich rechtswidriger Datenverarbeitungen einer Apotheke. Der BGH ersuchte den EuGH um Klärung, ob der DSGVO aufgrund einer möglichen Vollharmonisierung der Rechtsbehelfe ein Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Rechtzukomme. Der EuGH verneinte dies auf Basis folgender Überlegungen:
- Der Zugang zu und die Verarbeitung von personenbezogenen Daten sind ein bedeutender Teil des Wettbewerbs zwischen Unternehmen in der digitalen Wirtschaft. Für die Durchsetzung des Wettbewerbs- und Kartellrechts kann daher die Berücksichtigung der Datenschutz-Compliance durchaus erforderlich sein.
- Die DSGVO enthält keine Bestimmung zur möglichen Klagebefugnis von Mitbewerbern bei Datenschutzverstößen. Hintergrund ist laut EuGH, dass nur Betroffene, nicht aber Mitbewerber, direkt Begünstigte des Datenschutzrechts sind. Das allein steht aber einer Geltendmachung durch Mitbewerber nicht per se entgegen. Im Gegenteil:
- Die DSGVO enthält keine umfassende Harmonisierung der Rechtsbehelfe. Somit kann das nationale Recht darüberhinausgehende Klagsbefugnisse vorsehen; so auch für Mitbewerber. Durch diese Koexistenz besteht auch keine Gefahr für die einheitliche Durchsetzung der DSGVO.
Statt einer Vollharmonisierung kommt der EuGH daher zum Ergebnis, dass die Rechtsbehelfe für Mitbewerber bei Datenschutzverstößen die praktische Wirksamkeit der DSGVO sogar noch verstärken und damit das Schutzniveau verbessern können. Dies auch dann, wenn solche Klagen nur der Sicherung eines lauteren Wettbewerbs und nicht auch (direkt) den Interessen von Betroffenen dienen. Mangels Harmonisierung bleibt es dem nationalen Recht überlassen, ob es eine Klagsbefugnis für Mitbewerber bei DSGVO-Verstößen vorsieht. Diese Aussage ist eine logische Fortsetzung zur Entscheidung C-319/20, in der der EuGH bereits eine Klagsbefugnis für Verbraucherverbände bejaht hat.
Auswirkungen auf Österreich – Judikaturwende des OGH?
Für Österreich ist damit aber noch nicht final entschieden, ob Mitbewerber Datenschutzverletzungen aufgreifen können. Hierfür müsste der OGH von seiner bisherigen Position abrücken, dass das Recht auf Datenschutz nur persönlich geltend zu machen sei. Eine solche erforderliche Judikaturwende des OGH würde auch in Einklang mit der Rechtsprechung stehen, wonach Verletzungen des Persönlichkeitsrechts bei Benutzung von Bildnissen auch von Dritten aufgrund eines Verstoßes gegen die berufliche Sorgfalt geltend gemacht werden können (4 Ob 62/14t; 4 Ob 45/17x). Insbesondere unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH lässt sich die damalige Begründung des OGH zu Datenschutzverstößen zudem nur schwer aufrechterhalten: Der EuGH zeigt ja im Detail auf, warum Datenschutzrecht nicht nur Individualinteressen, sondern insbesondere auch schützenswerten Belange der Allgemeinheit betrifft. Neben dem Schutz der Betroffenen ist nämlich auch die Beseitigung der Hemmnisse für Datentransfers im Binnenmarkt ein wesentliches Ziel der DSGVO. Diese Dualität privater und öffentlicher Interessen ist zudem auch in Art 1 Abs 1 DSGVO festgeschrieben. Weiters verweist der EuGH auf die erhebliche Bedeutung von personenbezogenen Daten für den Wettbewerb in der digitalen Wirtschaft und somit auch für das Lauterkeitsrecht. Auch daraus ergibt sich die Bedeutung des Datenschutzes für die Allgemeinheit – ganz entgegen der Ansicht des OGH aus 2019.
Fazit
Der EuGH hat europarechtlich den Weg freigemacht, dass Mitbewerber Datenschutzverstöße von Konkurrenten geltend machen können. In Zukunft ist mit einer Zunahme privater Rechtsdurchsetzung zu rechnen. Der OGH hat das letzte Wort, ob er die Durchsetzung der Ansprüche durch Mitbewerber auf nationaler Ebene ermöglicht. Doch selbst wenn, ist (erfolgreichen) Klagen nicht Tür und Tor geöffnet: So muss für eine Durchsetzung auf Basis des UWG die Rechtsverletzung auf einer unvertretbaren Rechtsauffassung beruhen und zu einem spürbaren Wettbewerbsvorsprung führen. Beide Elemente sind wichtige Korrektive, um Abmahnauswüchse zu verhindern.