Das DORDA IT/IP Team erwirkt unter der Federführung von Axel Anderl eine Leitentscheidung des EuGH zur Anwendbarkeit des Sendestaatprinzips auf die Tätigkeit eines Satellitenbouquetanbieters
Wien, 25. Mai 2023 – Beim digitalen Fernsehen werden urheberrechtlich geschützte Werke in Form von Video- und Audiosignalen an das betreffende Publikum übermittelt. Dies erfolgt häufig via Satellitensendung: Sendeunternehmen speisen einen Sendestream mit dem Programminhalt in eine Kommunikationskette ein, die das Signal zum Satelliten schickt ("Uplink"). Nach Rücksendung vom Satelliten können Empfänger innerhalb des Sendegebiets diesen Stream empfangen und das Programm konsumieren. Der Uplink findet dabei häufig in einem anderen EU-Mitgliedsstaat als der tatsächliche Empfang der Sendungen statt: So kommt es vor, dass das Signal in Belgien zum Satelliten übermittelt wird, aber Fernsehzuseher in Österreich dieses letztendlich empfangen.
In vielen Fällen – insbesondere bei Pay-TV – tritt zu diesem Vorgang die Tätigkeit von Satellitenbouquetanbietern hinzu: Diese bündeln die Programme der Sendeunternehmen und stellen sie Endkunden als Programmpaket ("Satellitenbouquet") zur Verfügung. Die Einspeisung des programmtragenden Signals erfolgt dabei nach wie vor durch das Sendeunternehmen. Die Programme werden aber mit einem Code verschlüsselt und müssen vor der Nutzung decodiert werden. Der Satellitenbouquetanbieter stellt seinen zahlenden Kunden mit Zustimmung der Sendeunternehmen Zugangsschlüssel zur Verfügung, um das Programm sehen zu können.
Die österreichische Verwertungsgesellschaft AKM hat in einem Musterverfahren Klage gegen Canal+, einen solchen Satellitenbouquetanbieter, erhoben: Die AKM nimmt in Österreich die Rechte an Werken der Tonkunst (also Musikstücken) wahr, die Bestandteil der gesendeten Fernsehprogramme sind. Nach Ansicht der AKM muss ein Satellitenbouquetanbieter in jedem Empfangsstaat über eine (zusätzliche) Zustimmung der Rechteinhaber verfügen, um die von ihm vorgenommene Tätigkeit ausführen zu dürfen. Anderenfalls verletze er im Empfangsstaat Österreich die Rechte der AKM.
Wir haben dagegen für unseren Mandanten vertreten, dass das sogenannte Sendestaat-Prinzip gilt: Die Rechte sind nur in jenem Land zu klären, in dem der Uplink vorgenommen wird. Da dies im vorliegenden Fall immer außerhalb Österreichs ist, scheide eine Rechtsverletzung im Inland aus. Die AKM kann daher weder eine zusätzliche Rechteeinräumung für Österreich verlangen noch ist sie dazu berufen, etwaig fehlerhafte Lizensierungen im Uplink Staat zu verfolgen. Das würde sonst nämlich der vom Gesetzgeber intendierten gebündelten Rechtewahrnehmung in einem Mitgliedsstaat widersprechen.
Die erste und zweite Instanz im nationalen Rechtsstreit hatte unsere Argumentation für den Bouquetanbieter noch abgelehnt. Der OGH hat die Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Dieser bestätigt nun unsere Rechtsansicht: Er hält fest, dass ein Satellitenbouquetanbieter nicht verpflichtet ist, für eine Satellitensendung, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Rechteinhaber auch im Empfängerstaat einzuholen:
Sowohl die direkte als auch indirekte Übertragung von Fernsehprogrammen über Satellit sei nämlich als einheitliche öffentliche Wiedergabe zu beurteilen. Auf diese einheitliche öffentliche Wiedergabe sei das Sendelandprinzip anzuwenden. Für die gesamte Wiedergabe gelte daher nur das Recht des Sendemitgliedstaats. Sowohl Sendeunternehmen als auch Satellitenbouquetanbieter haben daher eine allenfalls erforderliche Zustimmung der Rechteinhaber nur im Sendestaat einzuholen. Es liefe dem Vereinheitlichungsgedanken der Richtlinie zuwider, wenn ein Satellitenbouquetanbieter auch in anderen Mitgliedstaaten Rechteeinräumungen benötigen würde. Dies stützt die Rechtsansicht des Satellitenbouquetanbieters, im Empfangsstaat Österreich nicht zur Haftung herangezogen werden zu können.
Die Entscheidung hat große, europaweite Bedeutung: Damit ist sichergestellt, dass eine effiziente, zentrale Rechteeinräumung in einem Mitgliedsstaat möglich ist und es zu keiner Rechtszersplitterung kommt. Im nächsten Schritt hat nun der OGH auf dieser Basis im nationalen Verfahren zu entscheiden.
Axel Anderl, Managing Partner und Leiter der Praxisgruppe IP, IT und Datenschutz sowie der Digital Industries Group, schritt im nationalen Verfahren und vor dem EuGH für den Satellitenbouquetanbieter ein. Er begrüßt die klaren Worte des Gerichtshofs: "Der EuGH bestätigt die Geltung des Sendestaatprinzips bei grenzüberschreitenden Satellitensendungen nun auch für die Tätigkeit eines Satellitenbouquetanbieters. Der Bouquetanbieter hat die Rechte für seine Teilnahme an der Satellitensendung des Sendeunternehmens daher nur im Sendestaat zu klären und kann im Empfängerstaat nicht haftbar gemacht werden. Das bringt Klarheit und Rechtssicherheit für die gesamte Branche in Europa." Axel Anderl wurde von Ida Woltran, Associate in seinem Team, unterstützt.
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