Wiener Bauordnungsnovelle – So wohnt Wien zukünftig

Pünktlich zum Jahreswechsel hat der Wiener Landtag die umfangreiche Novellierung der Wiener Bauordnung beschlossen. Im Vordergrund stehen Nachhaltigkeit und Klimaschutz sowie der Kampf gegen Kurzzeitvermietungen.

Touristische Kurzzeitvermietungen

Bisher war es nach der Wiener Bauordnung unzulässig, Wohnungen in Wohnzonen gewerblich für kurzfristige Beherbergungszwecke, wie beispielsweise über Plattformen zu vermieten. Die gewerbliche Nutzung im Sinne der Bauordnung bezieht sich dabei auf die regelmäßige, entgeltliche Bereitstellung von Wohnräumen für Beherbergungszwecke. Das Verbot war in der Praxis jedoch schwer durchzusetzen.

Die Wiener Bauordnungsnovelle 2023 führt nun eine Reihe von Einschränkungen für touristische Kurzzeitvermietungen in sämtlichen Wohnzohnen ein. Zunächst wird eine allgemeine Begrenzung der vorübergehenden kurzzeitigen Vermietung auf maximal 90 Tage pro Kalenderjahr normiert. Dies bedeutet, dass eine Wohnung innerhalb eines Jahres nicht mehr als 90 Tage lang touristisch vermietet werden darf. Ab dem 01.07.2024 ist eine Vermietung über diesen Zeitraum hinaus nur noch mit einer speziellen Ausnahmebewilligung erlaubt. Allerdings sind selbst bei Erteilung dieser Bewilligung erhebliche Restriktionen zu beachten.

Grünes Wien

Die Wiener Bauordnungsnovelle 2023 bringt erhebliche Neuerungen im Bereich der Dach- und Fassadenbegrünung mit sich. Insbesondere dürfen Gebäude mit flachen Dächern außerhalb von Schutzzonen künftig die zulässige Maximalhöhe um 15 cm überschreiten, um Platz für begrünte Flächen zu schaffen. Zusätzlich dazu erhalten Rankgerüste, Rankhilfen und bodengebundene Fassadenbegrünungen die Genehmigung, um 20 cm über Fluchtlinien und in Abstandsflächen hineinragen zu dürfen. Diese Maßnahmen setzen nicht nur auf ästhetische Verbesserungen, sondern fördern auch aktiv die Umwelt- und Lebensqualität in urbanen Gebieten.

Ein weiterer entscheidender Schwerpunkt der Bauordnungsnovelle liegt auf dem Schutz des Baumbestandes. Bei der Errichtung von Gehsteigauf- und -überfahrten ist nun gesetzlich vorgeschrieben, den Baumbestand zu schützen und gegebenenfalls ein Konzept zum Erhalt vorzulegen. Dieser Schutzmechanismus gewährleistet, dass städtische Baumbestände weiterhin gedeihen können und somit die ökologische Vielfalt und das Stadtbild bewahrt bleiben. Im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung sieht die Bauordnungsnovelle auch die Pflanzung von Straßenbäumen vor. Pro fünf Freiluftstellplätzen auf öffentlichen Straßen soll ein Baum gepflanzt werden. Dabei ist vorgeschrieben, dass der Straßenbaum einen Stammumfang von mindestens 35 cm aufweisen muss. Diese Regelung trägt nicht nur zur Verschönerung des städtischen Raums bei, sondern fördert auch die Luftqualität und das Wohlbefinden der Bevölkerung.

Ein weiteres zukunftsweisendes Element der Bauordnungsnovelle betrifft die Fernwärme(ausbau)zonen. Hier erfolgt eine Erweiterung der bestehenden Energieraumplanung durch die Ausweisung von Zonen mit bestehender oder geplanter Fernwärme. Kriterien für diese Zonen sind Preisregulierung, ausreichende Versorgung und ökologische Faktoren, wobei 80% erneuerbare Energien angestrebt werden. Es besteht jedoch keine Verpflichtung zur Nutzung der Fernwärme; vielmehr soll der Plan das Potenzial für eine nachhaltige Energieversorgung aufzeigen.

Photovoltaik und Erdwärme

In der Wiener Bauordnungsnovelle wird ein klarer Fokus auf nachhaltige Energiequellen gesetzt und der Einbau von Erdwärmesonden erheblich erleichtert. Insbesondere außerhalb von Grünland-Schutzgebieten und Gebieten mit aufrechter Bausperre soll der Einbau von Erdwärmesonden gänzlich bewilligungsfrei sein. Diese Maßnahme wird durch eine Meldepflicht des Bauträgers nach Fertigstellung ergänzt, um Transparenz und Kontrolle zu gewährleisten.

Die Bauordnungsnovelle bringt auch bedeutende Veränderungen hinsichtlich bewilligungsfreier Anlagen mit sich. Photovoltaikanlagen gemäß § 62a Z 24a, Erdwärmesonden gemäß § 62a Z 36, Abschattungseinrichtungen an Gebäuden gemäß § 62a Z 33, Fassadenbegrünung gemäß § 62a Z 37 sowie Ladeinfrastruktur für E-Mobilität unter 22 kW gemäß § 3 Abs 3 WGarG 2008 sind nun bewilligungsfrei, solange sie außerhalb von Grünland oder Gebieten mit Bausperre errichtet werden. Diese Regelungen fördern nicht nur die Nutzung erneuerbarer Energien, sondern erleichtern auch die Umsetzung von nachhaltigen Technologien im städtischen Raum.

Im Bereich der Photovoltaik setzt die Bauordnungsnovelle ambitionierte Ziele für Neubauten und Zubauten. Verpflichtungen zur Errichtung unter Einsatz von alternativen Energieversorgungssystemen, insbesondere solare Energieträger, werden eingeführt. Das erklärte Ziel ist die Verdopplung der erforderlichen Leistung für Wohngebäude, festgelegt auf 1 kWp für jede 150 m² konditionierte Brutto-Grundfläche. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, den Einsatz erneuerbarer Energien zu maximieren und den CO2-Fußabdruck von Gebäuden zu minimieren.

Ebenfalls von Interesse ist die Reduzierung der Mindestraumhöhe für den nachträglichen Einbau von Flächenwärmeabgabesystemen, wie beispielsweise Infrarot-Deckenpaneelen, auf 2,40 m statt bisher 2,50 m. Diese Anpassung ermöglicht eine flexiblere Integration von energiesparenden Technologien in bestehenden Gebäuden und trägt zur Steigerung der Energieeffizienz bei.

Stellplatzverpflichtung

Bislang galt die Vorgabe, dass pro 100 m² Wohnnutzfläche ein Stellplatz zu schaffen war. Mit der Einführung der Wiener Bauordnungsnovelle 2023 wurde dieses Modell durch eine zukunftsweisende und flexiblere Regelung ersetzt.

Die Neuordnung erfolgt durch die Unterteilung der Verpflichtung zur Errichtung von Stellplätzen nach Zonen. Dies ermöglicht eine differenzierte Betrachtung, die den spezifischen Bedürfnissen unterschiedlicher Stadtteile gerecht wird. Eine entscheidende Neuerung ist die Reduzierung der Verpflichtung zur Stellplatzerrichtung, insbesondere wenn zusätzliche Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Mobilität ergriffen werden. Ein wesentlicher Aspekt ist die Anrechnung von freiwillig geschaffenen E-Ladepunkten und Car-Sharing-Plätzen. Hierdurch wird die Verpflichtung zur Stellplatzerrichtung weiter reduziert, wenn innovative Lösungen für umweltfreundliche Fortbewegung implementiert werden.

Die Bauordnungsnovelle setzt außerdem einen klaren Fokus auf nachhaltige Mobilität. Die Verpflichtung zur Bereitstellung von Fahrradabstellplätzen wird auf ein Fahrradstellplatz pro 30 m² Wohnfläche festgelegt. Diese Maßnahme fördert nicht nur die umweltfreundliche Nutzung von Fahrrädern, sondern trägt auch zur Schaffung eines aktiven und gesunden Lebensstils in der Stadt bei.

Im Bereich der Elektromobilität wird eine wegweisende Regelung eingeführt. Jeder zehnte Stellplatz erfordert die Bereitstellung einer Ladestation, während die übrigen Stellplätze zumindest mit Leerverrohrungen für eine unkomplizierte Nachrüstung ausgestattet werden müssen. Diese Bestimmung zielt darauf ab, die Elektromobilität zu fördern und den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Wien voranzutreiben.

Erhöhter Schutz für Altbauten

Durch die Wiener Bauordnungsnovelle 2023 wurde ein erhöhter Schutz für Altbauten eingeführt, insbesondere für Gebäude, die vor dem 1. Januar 1945 errichtet wurden. Bisher galt, dass ein solches Gebäude nur abgerissen werden durfte, wenn kein öffentliches Interesse an seiner Erhaltung aufgrund der Wirkung auf das örtliche Stadtbild bestand.

Die Novelle bringt nun signifikante Veränderungen, um den Schutz von historischer Bausubstanz weiter zu stärken. Nicht mehr nur die wirtschaftliche Abbruchreife des Gebäudes rechtfertigt einen Abriss. Entscheidend ist nun das aktuelle Erscheinungsbild des Gebäudes, wobei auch Veränderungen am Gebäude zu berücksichtigen sind. Historische Merkmale, die vielleicht aufgrund von Umbauten nicht mehr vorhanden sind, bleiben dennoch relevant, und das Gebäude kann auch nach Veränderungen weiterhin als schützenswert betrachtet werden.

Der Verwaltungsgerichtshof betont zusätzlich, dass die mittelbare Wirkung des abzureißenden Gebäudes auf seine Umgebung berücksichtigt werden muss. Damit wird eine isolierte Betrachtung des Gebäudes allein vermieden. Es ist nicht mehr irrelevant, inwieweit ein neues Gebäude sich positiv auf die Umgebung und das örtliche Stadtbild auswirken könnte. Die Novelle legt somit einen klaren Fokus auf den Erhalt und die Wertschätzung historischer Bausubstanz im Kontext seiner umgebenden Stadtstruktur.

Die Schutzbestimmungen für Altbauten sind somit nicht nur restriktiver in Bezug auf Abrisse, sondern auch sensibler gegenüber Veränderungen an den Gebäuden selbst. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass das historische Erbe Wiens bewahrt wird und die Stadt ihre einzigartige architektonische Identität bewahren kann.

Fazit

Insgesamt wird durch die Wiener Bauordnungsnovelle 2023 einen bedeutenden Schritt in Richtung einer modernen, nachhaltigen und flexiblen Stadtentwicklung gesetzt. Die eingeführten Regelungen tragen dazu bei, den Anforderungen an Wohnraum, Mobilität und den Schutz historischer Bausubstanz gleichermaßen gerecht zu werden. Wien positioniert sich damit als Vorreiter für innovative Stadtplanung, die sowohl die gegenwärtigen Bedürfnisse als auch die langfristige Lebensqualität der Bewohner im Blick hat.