Neuerungen beim prospektersetzenden Dokument bei Übernahmen, Verschmelzungen und Spaltungen
Seit 15.4.2021 ist die Delegierte Verordnung über die Mindestinhalte von prospektersetzenden Dokumenten bei Übernahmen im Wege eines Tauschangebots, Verschmelzungen und Spaltungen in allen Mitgliedstaaten der EU anwendbar. Damit sollen die Anforderungen an das prospektersetzende Dokument in allen EU-Mitgliedstatten harmonisiert werden. Ob es damit zu Vereinfachungen und Kostenersparnissen kommt, erscheint – insbesondere im Vergleich zu den bisherigen österreichischen Vorgaben – zweifelhaft.
Wer Wertpapiere öffentlich anbieten oder diese zum Handel an einer Börse (geregelter Markt) zulassen möchte, muss dazu einen Prospekt nach der EU-Prospektverordnung veröffentlichen. Ein solcher Prospekt enthält umfassende und detaillierte Informationen über den Emittenten, dessen Geschäfts- und Finanzlage und die betreffenden Wertpapiere. Dementsprechend aufwändig ist die Erstellung eines solchen Prospekts.
Von dieser Prospektpflicht gibt es eine Reihe von Ausnahmen, die zum Teil allerdings nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn – statt eines Prospekts – ein sogenanntes "prospektersetzendes Dokument" erstellt und veröffentlicht wird. Dies gilt etwa für Verschmelzungen und Spaltungen von Gesellschaften mit Free Float Aktionären sowie Tauschangebote im Rahmen von Übernahmen börsenotierter Gesellschaften.
Bisher waren die Mindestinhalte des prospektersetzenden Dokuments für diese Transaktionen in einer Verordnung der Finanzmarktaufsichtsbehörde festgelegt:
- Das prospektersetzende Dokument bei Tauschangeboten im Rahmen von Übernahmen entsprach im Kern der Angebotsunterlage gemäß Übernahmegesetz; bei Verschmelzungen und Spaltungen bildeten die nach den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zur Einsicht durch die Aktionäre aufzulegenden Dokumente (dh im Wesentlichen der Verschmelzungs- bzw Spaltungsvertrag, die Berichte der Gesellschaftsorgane und die Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre) das prospektersetzende Dokument.
- Es handelte sich also um solche Dokumente, die nach Übernahmegesetz bzw nach den gesellschafts- und umgründungsrechtlichen Vorschriften ohnedies zu erstellen sind. Der Mehraufwand, um die Anforderungen des Prospektrechts zu erfüllen, war dementsprechend überschaubar.
Dies ändert sich nun. Im Dezember 2020 erließ die Europäische Kommission die Delegierte Verordnung (EU) 2021/528 ("Mindestinhalts-VO"). Mit dieser werden EU-weit einheitlich jene Informationen festgelegt, die prospektersetzende Dokumente mindestens zu enthalten haben, um bei Verschmelzungen, Spaltungen bzw Tauschangeboten im Rahmen von Übernahmen keinen Prospekt erstellen zu müssen. Diese Verordnung ist seit 15.4.2021 in der EU anwendbar:
Um den Anlegern eine fundierte Entscheidung zu ermöglichen, haben prospektersetzende Dokumente nach der Mindestinhalts-VO in leicht zu analysierender, knapper und verständlicher Form hinreichende, objektive und verständliche Informationen über
- die Aussichten des Emittenten der angebotenen Dividendenwerte und — je nach Art der Transaktion — der Zielgesellschaft, der übertragenden Gesellschaft oder der gespaltenen Gesellschaft sowie jede wesentliche Änderung der Geschäfts- und Finanzlage jeder dieser Gesellschaften seit dem Ende des vorangegangenen Geschäftsjahres,
- die mit den Dividendenwerten verbundenen Rechte und
- die Beschreibung der Transaktion und ihrer Auswirkungen auf den Emittenten
zu enthalten.
Dabei sieht die Mindestinhalts-VO abhängig von der konkreten Ausgestaltung der die Prospektpflicht auslösenden Transaktion bestimmte – umfangmäßig gestaffelte – Mindestinformationen vor. Im Vergleich zu einem "vollen" Prospekt nach der EU-Prospektverordnung stellt das prospektersetzende Dokument nach der Mindestinhalts-VO nach wie vor eine Erleichterung dar:
- Die inhaltlichen Anforderungen an das prospektersetzende Dokument sind geringer als bei einem Prospekt. Das prospektersetzende Dokument ist gewissermaßen ein stark "abgespeckter" Prospekt.
- Das prospektersetzende Dokument ist nicht von der zuständigen Aufsichtsbehörde (in Österreich: Finanzmarktaufsichtsbehörde) zu billigen.
Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage für prospektersetzende Dokumente kommt es aber zweifellos zu einer Erhöhung der Anforderungen. Konnten die Ausnahmen von der Prospektpflicht bisher bereits durch die Einhaltung der übernahmerechtlichen bzw gesellschafts- und umgründungsrechtlichen Pflichten in Anspruch genommen werden, sind nunmehr jedenfalls auch die darüber hinausgehenden Informationen nach der Mindestinhalts-VO bereitzustellen.
Einen Vorteil bringt die Mindestinhalts-VO aber jedenfalls insofern, als der notwendige Inhalt von prospektersetzenden Dokumenten nunmehr EU-weit harmonisiert ist, sodass es zwischen den EU-Mitgliedstaaten keine abweichenden Anforderungen an prospektersetzende Dokumente mehr geben kann.