ESG und Nachhaltigkeit sind im Europäischen Wirtschaftsraum mittlerweile ein fester Bestandteil des Rechtsrahmens geworden.
Die Finanzdienstleister waren die ersten, die vor einigen Jahren mit der Kombination aus Taxonomie-VO und Offenlegungs-VO die Auswirkungen zu spüren bekommen haben.
Und aktuell sind es auch genau sie, bei denen die Regeln am weitesten fortgeschritten sind. Das bringt neue Pflichten. Aber es gibt auch neue Chancen zur Finanzierung über Sustainable Bonds und deren Unterlegung durch Vergabe grüner Kredite, mittlerweile auch im Massengeschäft.
Wir fassen die für Finanzdienstleister wichtigsten Eckpunkte zusammen.
- Zuletzt wurde die europäische Lieferketten-Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) finalisiert, wobei der Anwendungsbereich für Finanzdienstleister aber teilweise eingeschränkt ist:
Die Richtlinie sieht für alle Unternehmen vor, dass sie sowohl eigene Zulieferer ("Upstream"), als auch jene, an die geliefert wird ("Downstream") hinsichtlich negativer Auswirkungen auf Umwelt oder Menschenrechte kontrollieren müssen. Und zwar nicht nur für Produkte, sondern auch für Dienstleistungen. Allerdings ist die Downstream-Kontrolle bei Finanzdienstleistern gesetzlich ausgeschlossen. Das bedeutet: Bei den eigenen Produkten und Dienstleistungenn sind Finanzdienstleister von der Richtlinie ausgenommen. Praktisch müssen Banken deshalb bei der Vergabe eines Kredits nicht fragen, ob die Zuzählung der Kreditvaluta Menschenrechte gefährdet oder negative Auswirkungen auf die Umwelt hat, wie es noch in den früheren Fassungen der Richtlinie stand.
Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Erwägungsgrund 36b der Richtlinie sieht nämlich vor, dass Finanzdienstleister sehr wohl auch ihre negative Auswirkungen berücksichtigen müssen und ihren Einfluss (leverage) nützen sollen, um Unternehmen zu beeinflussen. Streng genommen also keine Downstream-Kontrolle. Aber trotzdem wird erwartet, dass Finanzdienstleister auch bezüglich ihrer eigenen Produkte und Dienstleistungen ESG mitdenken.
Das wird deutlich, wenn man an die in derselben Richtlinie festgelegte Pflicht zur Erstellung und Umsetzung des Klimaplans denkt. Davon sind Finanzdienstleister nämlich nicht ausgenommen. Und dieser Klimaplan muss gerade auch den eigenen Geschäftsbereich und die eigenen Kunden und Kundinnen einbeziehen. Eine ähnliche Pflicht zum Aufstellen eines Klimaplans gibt es übrigens auch schon in der Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive). In der Lieferketten-Richtlinie wird aber auch die Umsetzung des Plans verbindlich.
Weiters ist in diesem Zusammenhang auch die Green Asset Ratio (GAR) zu beachten. Banken müssen ab 2024 berichten, welcher Anteil ihres Geschäfts nachhaltigen Kriterien genügt. Es gibt zwar keine Vorgabe, eine bestimmte GAR zu erreichen, aber durch diese Kennzahlen werden die Aktivitäten der Banken im Nachhaltigkeitsbereich für Investoren und Kunden vergleichbar.
- An die Offenlegungs-Verordnung haben sich Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater mittlerweile gewöhnt. Auch daran, dass die Begriffsbestimmungen in der Verordnung selbst sehr vage sind, in der dazugehörigen Delegierten Verordnung aber extrem technisch. Eine Mischung, die bei Kunden häufig zu Missverständnissen führt. Das wurde auch auf europäischer Ebene wahrgenommen. Die Delegierte Verordnung ist deshalb derzeit in einem Review-Prozess. Eine ganz aktuelle Studie der Kommission, welche die Rückmeldungen von über 300 Stakeholdern berücksichtigt, kommt zum Ergebnis: Das grundlegende Ziel der Offenlegungs-VO, Transparenz im nachhaltigen Kapitalmarkt zu erzeugen, wird weiter von einer sehr großen Mehrheit unterstützt. Nur die aktuelle Umsetzung wird als zu technisch und zu wenig einheitlich (Widersprüche zum Beispiel zur Taxonomie-VO oder zur Nachhaltigkeitsberichterstattung) gesehen. Es wird erwartet, dass noch in diesem Jahr eine überarbeitete Fassung veröffentlicht wird. Diese soll insbesondere neue Vorlagen für die Offenlegungen bei Art 8- und Art 9-Fonds (also die in der Praxis zum Teil als "hellgrün" bzw "dunkelgrün" bezeichneten Fonds) beinhalten.
- Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden im Rahmen der Anlageberatung und Portfolioverwaltung. Die Regulierung hat sich aufgrund ihrer Komplexität als wenig praxistauglich erwiesen. Auch hier wird eine Überarbeitung erwartet. Der Zeitplan ist aber noch weit unklarer als bei der Offenlegungs-Verordnung.
- Und damit gleich zur großen Chance. Nachhaltige Finanzprodukte sind jedenfalls im Europäischen Wirtschaftsraum gefragt wie nie. Das trifft aufgrund des aktuellen Zinsumfelds insbesondere auf nachhaltige Finanzierungsmöglichkeiten zu. Wer sich nachhaltig finanziert, finanziert sich günstiger. Für Banken stellt sich deshalb die Frage: Wie geht nachhaltige Finanzierung?
Die Taxonomie-VO bietet dafür einen wesentlichen Baustein. Ihre Delegierten Verordnungen sagen, welche Wirtschafstätigkeiten ökologisch nachhaltig sind. Banken können diese Tätigkeiten finanzieren und sich selbst für verschiedene Zwecke – etwa der Green Asset Ratio oder bei der Erreichung von Klimazielen – anrechnen lassen. Neben ökologischer Nachhaltigkeit im Sinn der Taxonomie-VO kommen abhängig von der Situation der konkreten Situation des Kreditinstituts auch noch andere Verwendungsmöglichkeiten in Betracht.
Sustainable Bonds lassen sich mittlerweile nämlich durchaus auch durch grüne Kredite im Massengeschäft unterlegen. Das gilt sowohl für Kredite an Unternehmer als auch an Verbraucher (auch wenn bei letzteren natürlich insbesondere die verbraucherschutzrechtlichen Transparenzgebote zu beachten sind). Eine aktuelle Interpretationshilfe der Europäischen Kommission sieht dies ausdrücklich vor. Und sie sieht auch vor, dass nicht in jedem Fall gesonderte kostspielige Drittbestätigungen (zB von Wirtschaftsprüfern) eingeholt werden müssen. Bei klaren Fällen reichen Bestätigungen, die es ohnehin schon gibt (zB Energieausweise). Welche Bestätigungen im Einzelfall genügen und welches laufende Monitoring nötig ist, ist dabei immer vom Einsatzzweck abhängig.
Zusammengefasst ist der Finanzmarkt im Nachhaltigkeitsrecht aktuell so streng reguliert wie noch nie. Mit dem Inkrafttreten der Lieferketten-Richtlinie wird sich das noch einmal verschärfen. Gleichzeitig ist aber auch die Nachfrage am Markt nach nachhaltigen Produkten riesig.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Umsetzung.