Erwirbt jemand ein Unternehmen im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge – etwa per Share Deal oder Verschmelzung – übernimmt er vollinhaltlich alle Rechten und Pflichten. Damit tritt er wohl auch in die bisherigen datenschutzrechtlichen Einwilligungen ein. Strittig war bislang aber die Frage, ob und in welchem Umfang dieser Effekt bei bloßen Assets Deals eintritt. Darf der Käufer den erworbenen Kundenstock mit werblichen Newslettern versorgen und sich dabei auf bestehende Einwilligungen oder gar die Soft Opt-In Ausnahme des § 174 TKG (früher § 107) stützen? Oder ist dafür eine neue, gesonderte Einwilligung erforderlich? Sowohl der OGH als auch die DSB haben sich kürzlich zu diesem Sachverhalt – mit auf den ersten Blick vermeintlich abweichendem Ergebnis – geäußert. Unsere DORDA Datenschutzexperten fassen das für Sie wie gewohnt zusammen und zeigen auf, dass die beiden Entscheidungen durchaus stringent sind:
Ausgangslage
Das Target versandte an seine Kunden regelmäßige E-Mail-Newsletter und wies dabei bereits in seiner Datenschutzerklärung darauf hin, dass personenbezogene Daten bei Unternehmensverkauf oder -übertragung (inkl Restrukturierung oder Liquidation) an den Erwerber übermittelt werden können. Über das Vermögen des Targets wurde in Folge ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Käufer erwarb vom Insolvenzverwalter via Asset Deal einzelne Vermögensgegenstände der insolventen Gesellschaft, darunter auch den Firmenwert (Goodwill), der laut Kaufvertrag ausdrücklich auch den Kundenstock und bisherigen Online-Auftritt umfasste. Die Käuferin schickte sodann an den bestehenden Kundenstock E-Mail-Newsletter und stütze sich dabei sowohl auf teilweise vorliegende Einwilligungen als auch auf die Soft-Opt-In Ausnahme des § 107 TK (nunmehr § 174 TKG). Dagegen ist einerseits ein Mitbewerber auf Basis UWG – Rechtsbruch wegen Verstoß gegen § 174 TKG sowie Art 6 DSGVO – und andererseits ein Empfänger eines Newsletters, der keine Einwilligung erteilt hatte, mit Beschwerde an die DSB vorgegangen. Die Ergebnisse der beiden Verfahren sind zwar in Details abweichend, zeigen aber bei Gesamtbetrachtung die relevanten Parameter für eine erfolgreiche Übernahme von Kundendaten samt Einwilligungen auf:
OGH: Keine (erneuten) Einwilligungen für Direktmarketing erforderlich
Der OGH sah die Kriterien für einen Rechtsbruch iSd UWG nicht erfüllt: Der Käufer des Kundenstocks habe sich zu Recht auf die Ausnahme des § 107 Abs 3 TKG 2003 (Soft Opt-In) gestützt. Dafür ist es unerheblich, dass noch das Target als Rechtsvorgängerin die nun vom Erwerber des Kundenstocks genutzten Kontaktinformationen erhoben hatte. Auch die Auffassung, dass die Kunden des Targets durch den Verkauf des Kundenstammes zu Kunden des Käufers werden, beurteilte der OGH als nicht unvertretbar. Darüber hinaus verneinte der OGH auch zu den vorgeworfenen DSGVO-Verstößen einen Rechtsbruch. Vielmehr sei es nicht unvertretbar, dass etwaige Einwilligungen gültig auf den Käufer übergegangen sind, da (i) die Kunden dem Target eine Einwilligung für den Versand eines Newsletters über den Webshop erteilt hatten, (ii) dabei bereits darüber belehrt worden waren, dass personenbezogene Daten allenfalls an Käufer des Unternehmens weitergegeben würden und (iii) die Daten für denselben Zweck (nämlich die Versendung eines Newsletters über den identen Webshop) verwendet wurden, für den die Kunden zuvor ihre Einwilligung erteilt haben (OGH 28.9.2021, 4 Ob 95/21f). Neben den konkret inhaltlichen Aspekten ist es begrüßenswert, dass sich der OGH nun in Abkehr zur viel diskutierten Entscheidung 4 Ob 84/19k – in der er der wettbewerbsrechtlichen Verfolgung von Datenschutzverstößen noch eine generelle Absage erteilt hat – richtigerweise doch im Detail mit der Prüfung von Verstößen gegen die DSGVO als Rechtsbruch iSd § 1 UWG auseinandergesetzt hat. Dieser Ansatz deckt sich auch mit der jüngsten Rechtsprechung und dem Ansatz in Deutschland sowie der überwiegenden Lehre in Österreich (für eine tiefgreifendere Auseinandersetzung verweisen wir auf Seite 198 ff unseres Praxishandbuchs UWG, Linde Verlag).
DSB: Erneuerung der Einwilligungen nicht per se, aber im konkreten Fall erforderlich
Die DSB hielt im Parallelverfahren – in dem es mangels Einwilligung lediglich um die Frage der Anwendbarkeit der Soft-Opt-In Ausnahme ging – eingangs fest, dass grundsätzlich die Fernmeldebehörde bei Verstößen gegen § 107 TKG 2003 zuständig ist. Die Nutzung der Kundendaten begründe aber gleichzeitig auch eine potentielle Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung nach § 1 Abs 1 DSG und die DSGVO. Abweichend zum OGH und den Vorinstanzen kam sie im konkreten (Einzel-)Fall aber zum Ergebnis, dass eine neuerliche, vorherige Einwilligung zur Zusendung von Newslettern erforderlich gewesen wäre und sich der Käufer nicht auf die Soft Opt-In Ausnahme berufen könne. Dies vor allem deshalb, weil es sich bei den angeschriebenen Empfängern mangels Gesamtrechtsnachfolge nicht um Kunden des Käufers handle, so wie von § 107 Abs 3 Z 1 TKG 2003 gefordert (Bescheid vom 7. Juli 2021, noch nicht rechtskräftig).
Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
Zusammenfassend lassen sich aus beiden Entscheidungen folgende, wesentliche Take Aways ableiten:
- Eine Übernahme von Kundendaten samt bestehender Einwilligungserklärungen ist bei Gesamtrechtsnachfolge idR unkritisch, bei Einzelrechtsnachfolge in ZusammenhanEg mit § 38 UGB zu prüfen.
- Bei Asset Deals kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an:
- Liegt keine Einwilligung des Kunden gegenüber dem alten Geschäftsinhaber vor, kann sich der Erwerber der Assets nur auf das Soft-Opt-In für werbliche Zusendungen berufen. Dem hat die DSB im Anlassfall eine Absage erteilt. Es sind aber weitere Konstellationen denkbar:
- Liegt eine Einwilligung des Kunden gegenüber dem bisherigen Geschäftsinhaber vor und hat dieser seine Kunden in den Datenschutzinformationen vorab über die Möglichkeit der Veräußerung informiert, sprechen weiter gute Argumente für die Zulässigkeit der Berufung des Erwerbers der Assets auf die Einwilligung des Kunden bei Verwendung der Daten für denselben Zweck (Versendung eines Newsletters für ähnliche Waren und Dienstleistungen).
- Liegt zwar eine Einwilligung vor, aber hat der Unternehmer seine Kunden nicht vorab über eine mögliche Veräußerung informiert, tritt eine weitere Unsicherheit hinzu. Allerdings entspricht es wohl durchaus der Lebenserwartung, dass Unternehmen bzw Teile davon veräußert werden. Auch in diesem Fall kann daher uE eine Berufung auf die Einwilligung als zulässig argumentiert werden. Freilich wird hier eine noch strengere Prüfung der Zweckbindung vorzunehmen sein.
Bei Transaktionen ist das Augenmerk somit vermehrt auf die Ausgestaltung der Datenschutzhinweise und Einwilligungserklärungen zu legen, um zu evaluieren, ob und welche Schritte allenfalls noch vor dem Signing zu setzen sind, damit nach dem Closing der erworbene Kundenstock auch wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden kann. So können zB noch vor oder während der Veräußerung transparente Informationsmaßnahmen erfolgen, um die Kundenerwartung zu schärfen. Sofern dies nicht erfolgt ist, bedarf es einer sehr sorgfältigen Analyse und Risikoabwägung, ob und welche Marketingmaßnahmen zulässig sind.
Erwirbt jemand ein Unternehmen im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge – etwa per Share Deal oder Verschmelzung – übernimmt er vollinhaltlich alle Rechten und Pflichten. Damit tritt er wohl auch in die bisherigen datenschutzrechtlichen Einwilligungen ein. Strittig war bislang aber die Frage, ob und in welchem Umfang dieser Effekt bei bloßen Assets Deals eintritt. Darf der Käufer den erworbenen Kundenstock mit werblichen Newslettern versorgen und sich dabei auf bestehende Einwilligungen oder gar die Soft Opt-In Ausnahme des § 174 TKG (früher § 107) stützen? Oder ist dafür eine neue, gesonderte Einwilligung erforderlich? Sowohl der OGH als auch die DSB haben sich kürzlich zu diesem Sachverhalt – mit auf den ersten Blick vermeintlich abweichendem Ergebnis – geäußert. Unsere DORDA Datenschutzexperten fassen das für Sie wie gewohnt zusammen und zeigen auf, dass die beiden Entscheidungen durchaus stringent sind:
Ausgangslage
Das Target versandte an seine Kunden regelmäßige E-Mail-Newsletter und wies dabei bereits in seiner Datenschutzerklärung darauf hin, dass personenbezogene Daten bei Unternehmensverkauf oder -übertragung (inkl Restrukturierung oder Liquidation) an den Erwerber übermittelt werden können. Über das Vermögen des Targets wurde in Folge ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Käufer erwarb vom Insolvenzverwalter via Asset Deal einzelne Vermögensgegenstände der insolventen Gesellschaft, darunter auch den Firmenwert (Goodwill), der laut Kaufvertrag ausdrücklich auch den Kundenstock und bisherigen Online-Auftritt umfasste. Die Käuferin schickte sodann an den bestehenden Kundenstock E-Mail-Newsletter und stütze sich dabei sowohl auf teilweise vorliegende Einwilligungen als auch auf die Soft-Opt-In Ausnahme des § 107 TK (nunmehr § 174 TKG). Dagegen ist einerseits ein Mitbewerber auf Basis UWG – Rechtsbruch wegen Verstoß gegen § 174 TKG sowie Art 6 DSGVO – und andererseits ein Empfänger eines Newsletters, der keine Einwilligung erteilt hatte, mit Beschwerde an die DSB vorgegangen. Die Ergebnisse der beiden Verfahren sind zwar in Details abweichend, zeigen aber bei Gesamtbetrachtung die relevanten Parameter für eine erfolgreiche Übernahme von Kundendaten samt Einwilligungen auf:
OGH: Keine (erneuten) Einwilligungen für Direktmarketing erforderlich
Der OGH sah die Kriterien für einen Rechtsbruch iSd UWG nicht erfüllt: Der Käufer des Kundenstocks habe sich zu Recht auf die Ausnahme des § 107 Abs 3 TKG 2003 (Soft Opt-In) gestützt. Dafür ist es unerheblich, dass noch das Target als Rechtsvorgängerin die nun vom Erwerber des Kundenstocks genutzten Kontaktinformationen erhoben hatte. Auch die Auffassung, dass die Kunden des Targets durch den Verkauf des Kundenstammes zu Kunden des Käufers werden, beurteilte der OGH als nicht unvertretbar. Darüber hinaus verneinte der OGH auch zu den vorgeworfenen DSGVO-Verstößen einen Rechtsbruch. Vielmehr sei es nicht unvertretbar, dass etwaige Einwilligungen gültig auf den Käufer übergegangen sind, da (i) die Kunden dem Target eine Einwilligung für den Versand eines Newsletters über den Webshop erteilt hatten, (ii) dabei bereits darüber belehrt worden waren, dass personenbezogene Daten allenfalls an Käufer des Unternehmens weitergegeben würden und (iii) die Daten für denselben Zweck (nämlich die Versendung eines Newsletters über den identen Webshop) verwendet wurden, für den die Kunden zuvor ihre Einwilligung erteilt haben (OGH 28.9.2021, 4 Ob 95/21f). Neben den konkret inhaltlichen Aspekten ist es begrüßenswert, dass sich der OGH nun in Abkehr zur viel diskutierten Entscheidung 4 Ob 84/19k – in der er der wettbewerbsrechtlichen Verfolgung von Datenschutzverstößen noch eine generelle Absage erteilt hat – richtigerweise doch im Detail mit der Prüfung von Verstößen gegen die DSGVO als Rechtsbruch iSd § 1 UWG auseinandergesetzt hat. Dieser Ansatz deckt sich auch mit der jüngsten Rechtsprechung und dem Ansatz in Deutschland sowie der überwiegenden Lehre in Österreich (für eine tiefgreifendere Auseinandersetzung verweisen wir auf Seite 198 ff unseres Praxishandbuchs UWG, Linde Verlag).
DSB: Erneuerung der Einwilligungen nicht per se, aber im konkreten Fall erforderlich
Die DSB hielt im Parallelverfahren – in dem es mangels Einwilligung lediglich um die Frage der Anwendbarkeit der Soft-Opt-In Ausnahme ging – eingangs fest, dass grundsätzlich die Fernmeldebehörde bei Verstößen gegen § 107 TKG 2003 zuständig ist. Die Nutzung der Kundendaten begründe aber gleichzeitig auch eine potentielle Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung nach § 1 Abs 1 DSG und die DSGVO. Abweichend zum OGH und den Vorinstanzen kam sie im konkreten (Einzel-)Fall aber zum Ergebnis, dass eine neuerliche, vorherige Einwilligung zur Zusendung von Newslettern erforderlich gewesen wäre und sich der Käufer nicht auf die Soft Opt-In Ausnahme berufen könne. Dies vor allem deshalb, weil es sich bei den angeschriebenen Empfängern mangels Gesamtrechtsnachfolge nicht um Kunden des Käufers handle, so wie von § 107 Abs 3 Z 1 TKG 2003 gefordert (Bescheid vom 7. Juli 2021, noch nicht rechtskräftig).
Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
Zusammenfassend lassen sich aus beiden Entscheidungen folgende, wesentliche Take Aways ableiten:
- Eine Übernahme von Kundendaten samt bestehender Einwilligungserklärungen ist bei Gesamtrechtsnachfolge idR unkritisch, bei Einzelrechtsnachfolge in ZusammenhanEg mit § 38 UGB zu prüfen.
- Bei Asset Deals kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an:
- Liegt keine Einwilligung des Kunden gegenüber dem alten Geschäftsinhaber vor, kann sich der Erwerber der Assets nur auf das Soft-Opt-In für werbliche Zusendungen berufen. Dem hat die DSB im Anlassfall eine Absage erteilt. Es sind aber weitere Konstellationen denkbar:
- Liegt eine Einwilligung des Kunden gegenüber dem bisherigen Geschäftsinhaber vor und hat dieser seine Kunden in den Datenschutzinformationen vorab über die Möglichkeit der Veräußerung informiert, sprechen weiter gute Argumente für die Zulässigkeit der Berufung des Erwerbers der Assets auf die Einwilligung des Kunden bei Verwendung der Daten für denselben Zweck (Versendung eines Newsletters für ähnliche Waren und Dienstleistungen).
- Liegt zwar eine Einwilligung vor, aber hat der Unternehmer seine Kunden nicht vorab über eine mögliche Veräußerung informiert, tritt eine weitere Unsicherheit hinzu. Allerdings entspricht es wohl durchaus der Lebenserwartung, dass Unternehmen bzw Teile davon veräußert werden. Auch in diesem Fall kann daher uE eine Berufung auf die Einwilligung als zulässig argumentiert werden. Freilich wird hier eine noch strengere Prüfung der Zweckbindung vorzunehmen sein.
Bei Transaktionen ist das Augenmerk somit vermehrt auf die Ausgestaltung der Datenschutzhinweise und Einwilligungserklärungen zu legen, um zu evaluieren, ob und welche Schritte allenfalls noch vor dem Signing zu setzen sind, damit nach dem Closing der erworbene Kundenstock auch wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden kann. So können zB noch vor oder während der Veräußerung transparente Informationsmaßnahmen erfolgen, um die Kundenerwartung zu schärfen. Sofern dies nicht erfolgt ist, bedarf es einer sehr sorgfältigen Analyse und Risikoabwägung, ob und welche Marketingmaßnahmen zulässig sind.