Schlussanträge von Generalanwalt HOGAN zur Cloud-Abgabe: Ermessensspielraum des Gesetzgebers bestätigt

Grundsätzlich ist die Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werks seinem Schöpfer vorbehalten. In Österreich hat dennoch jedermann das Recht, Kopien von solchen Werken zum privaten Gebrauch anzufertigen. Ursprünglich hatte der Gesetzgeber dabei Szenarien vor Augen, in denen Personen mit ihrer Stereoanlage und einer leeren Tonbandkassette Musik aus dem Radio aufgenommen, über den Videorekorder Filme mitgeschnitten oder Videokassetten überspielt haben.

Als Ausgleich für dieses Recht heben Verwertungsgesellschaften eine Abgabe ein. Ehemals Leerkassettenvergütung genannt, wurde diese Abgabe wegen der Änderung der faktischen Gegebenheiten mittlerweile von Gerichten und per Gesetzesnovellen auch auf andere Speichermedien ausgedehnt. Sie wird daher nun als Speichermedienvergütung bezeichnet. Diese deckt etwa auch Computerfestplatten oder Speichermedien auf mobilen Endgeräten wie Handys ab. Schließlich wird das Gros der Privatkopien nunmehr digital angefertigt.

Gesetzlicher Anknüpfungspunkt sind dabei Speichermedien jeder Art, die in Österreich gewerbsmäßig in den Verkehr gelangen. Daraus lässt sich schließen, dass nur der Verkauf von physischen Datenträgern abgabepflichtig sein soll. Demnach würde Cloud-Speicher nicht unter eine Abgabenpflicht fallen. Auch praktisch haben Verwertungsgesellschaften bislang keine Abgabe auf virtuellen Serverspeicher eingehoben und auch keinen Tarif dafür veröffentlicht.

EuGH Verfahren zu C-433/20 – Austro-Mechana

Die Verwertungsgesellschaft Austro-Mechana hat diesbezüglich ein Musterverfahren angestrengt und Klage gegen einen deutschen Cloud-Speicher-Anbieter erhoben. Nach Ansicht der Austro-Mechana sei auch das Bereitstellen von Speicherplatz in der Cloud von Deutschland aus nach Österreich ein "Inverkehrbringen von Speichermedien in Österreich" und damit vergütungspflichtig. Und selbst wenn das nicht der Fall wäre, müsse auf Basis der geltenden EU-Rechtslage dennoch zwingend eine Abgabe für Cloud-Speicher geleistet werden - unabhängig vom österreichischen Gesetzeswortlaut.

Die erste Instanz, das Handelsgericht Wien, hatte diese Ansprüche mit Hinweis auf die österreichische Gesetzeslage und die Entstehungsgeschichte der entsprechenden Bestimmung noch abgelehnt. Das Berufungsgericht, das Oberlandesgericht Wien, hat die Frage nunmehr dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Gestern hat der Generalanwalt in dieser Rechtssache seine Schlussanträge vorgetragen:

Die Schlussanträge des Generalanwalts

Der Generalanwalt hält in seinen Schlussanträgen (abrufbar hier: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=246488&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=1343859) fest, dass auch Vervielfältigungen in der Cloud von der Privatkopieausnahme gedeckt sind. Diese sei schließlich technologieneutral auszulegen.

Weiters bestehe für den nationalen Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum, wie diese Urheberrechtsabgabe einzuheben ist. So stehe es ihm frei, bei nur einem der Geräte in der Gerätekette anzusetzen. Daher bestehe auch keine Pflicht, eine zusätzliche Abgabe für Cloud-Dienstleistungen einzuführen. Vielmehr sei bei der Einführung neuer Abgaben Vorsicht geboten, da andernfalls eine Überkompensation der Rechteinhaber drohe. Schließlich gelte auch eine Vermutung, dass das bestehende Abgabensystem bereits für den geforderten "gerechten Ausgleich" für diese sorgt.

Das stützt die Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers, die Abgabenpflicht an das Inverkehrbringen von physischen Datenträgern zu knüpfen.

Weiterer Ausblick

Der Europäische Gerichtshof wird in den kommenden Monaten sein Urteil verkünden, das für die nationalen Gerichte verbindlich ist. Die Schlussanträge des Generalanwalts sind dabei für den EuGH nicht bindend, sondern haben reinen Empfehlungscharakter. In der Mehrzahl der Fälle folgt der EuGH aber den Schlussanträgen des Generalanwalts.

Fazit

Das Thema der Speichermedienvergütung ist damit um eine weitere Facette reicher.Im Kern bestätigt der Generalanwalt den Weg des österreichischen Gesetzgebers, der für die Abgabe bloß bei physisch im Gebiet der Republik Österreich in Verkehr gebrachten Speichermedien ansetzt. Schlussendliche Klärung wird das Urteil des EuGH in den kommenden Monaten bringen. DORDA, konkret Axel Anderl, Bernhard Heinzl und Ida Woltran, vertritt im Verfahren die beklagte Partei, also den Cloud-Dienste-Anbieter.