Im letzten Halbjahr gab es spannende Entwicklungen zur Einschränkung von Urheber- und Leistungsschutzrechten im politischen Kontext. So hatte sich der OGH zB bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Nutzung von Fotos im Rahmen des Ibiza-Untersuchungsausschusses mit der Abwägung zwischen Urheberrecht und der Meinungsäußerungsfreiheit auseinanderzusetzen (4 Ob 135/22i). Unsere DORDA IP-Experten analysieren für Sie diese und weitere Entscheidungen und ihre Auswirkungen:
Ein Fotograf bot auf seiner Homepage Fotos des zum damaligen Zeitpunkt amtierenden Bundes- und des ehemaligen Vizekanzlers zum Verkauf an. Ein Fraktionsführer eines U-Ausschusses verwendete diese, ohne daran Rechte erworben zu haben. Er versah die Fotos mit den Schriftzügen "SMS NICHT im Akt!" und "SMS im Akt!" und stellte sie im Rahmen eines Pressetermins vor dem Lokal des U-Ausschusses aus. Damit wollte der Fraktionsführer die Öffentlichkeit auf einen aus seiner Sicht bestehenden Missstand zum Umfang der Datenlieferungen an den U-Ausschuss aufmerksam machen.
Der Fotograf des Fotos des Bundeskanzlers wehrte sich gegen die Nutzung seines Werkes: Mit der Aktion sei medienwirksam in seine Rechte eingegriffen worden. So sei damit der unrichtige Eindruck entstanden, dass die politisch motivierte Verwendung mit seiner Zustimmung erfolgt sei. Der Fotograf klagte den Parlamentsklub daher unter anderem auf Unterlassung und immateriellen Schadenersatz gemäß § 87 Abs 2 UrhG.
Keine freie Werknutzung
Der OGH gab der Klage vollinhaltlich statt. Insbesondere verwarf das Höchstgericht den Einwand des Klubs, er habe im Rahmen der freien Werknutzung gehandelt und dass seine Nutzung durch Grundrechte legitimiert sei: Die Sondervorschrift des § 41 UrhG rechtfertigt im engen Rahmen eine Nutzung von Werken in parlamentarischen oder gerichtlichen Verfahren. Konkret ist dies zulässig, wenn dadurch der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens sichergestellt wird oder es der öffentlichen Sicherheit dient. Der OGH räumt diesbezüglich ein, dass Untersuchungsausschüsse parlamentarische Verfahren sind. Die Veröffentlichung der Fotos im Rahmen des Presspoints vor dem U-Ausschuss hatte aber rein parteipolitische Ziele. Dafür besteht keine Rechtfertigung über § 41 UrhG.
Zudem sprach der OGH aus, dass die zwingend durchzuführende Grundrechtsabwägung zwischen dem Eigentumsrecht des Rechteinhabers und der Meinungsfreiheit des Parlamentsklubs zugunsten des Fotografen ausschlägt: Da der Fotograf die Lichtbilder allgemein auf seiner Website zum Verkauf angeboten hatte, hätte der Parlamentsklub die notwendigen Rechte erwerben können. Aus diesem Grund kann das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung den Eingriff in die Ausschließlichkeitsrechte des Fotografen nicht rechtfertigen.
Offene Fragen und Fazit
Mit der vorliegenden Entscheidung legte der OGH den Umfang der freien Meinungsäußerung im Gegensatz zu einschlägigen Vorentscheidungen also sehr eng aus. So hat der Gerichtshof erst vor kurzem die Verwendung eines Plakats für die Ankündigung einer Gegendemonstration auf der Grundlage des Zitatrechts für zulässig erklärt (4 Ob 37/22b). In dieser Entscheidung hatte der OGH noch die besondere Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit sowie die Wichtigkeit der Diskussion über politische Fragen und Kritik von und an Politikern hervorgehoben. Ähnlich hat das Höchstgericht bereits 2010 die Verwendung eines Wahlkampfplakats durch einen abtreibungskritischen Verein im Rahmen einer antithematischen Auseinandersetzung für zulässig erkannt (4 Ob 66/10z).
Es bleibt abzuwarten, ob die jüngste Entscheidung tatsächlich eine Kehrtwende des OGH zur Meinungsfreiheit und Auslegung von freien Werknutzungen im politischen Kontext ist. Unseres Erachtens muss das nicht zwangsläufig der Fall sein. So fällt auf, dass in den den früheren Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten ein Erwerb der Rechte an den Bildern wegen der politischen Opposition geradezu unmöglich war. Im nun entscheidungsgegenständlichen Sachverhalt meint der OGH aber, dass dies ex ante betrachtet möglich gewesen wäre.
Hier kann man freilich durchaus kritisch hinterfragen, ob dies tatsächlich realistisch gewesen ist. So hat sich der Fotograf ja genau gegen die politische Nutzung durch die konkrete Partei gewehrt und dafür sogar erfolgreich immateriellen Schadenersatz angesprochen. Darauf ist der Gerichtshof in seiner Abwägung allerdings nicht eingegangen: Der Klub hatte nämlich gar nicht vorgebracht, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, eine entsprechende Einwilligung vom Fotografen zu erlangen. Da der Fotograf das aber zu seiner Anspruchsbegründung für den erfolgreich durchgesetzten immateriellen Schadenersatzanspruch selbst vorgebracht hatte, hätte dieser Aspekt uE sehr wohl berücksichtigt werden müssen.
Es bleibt also offen, ob der OGH mit diesem Fall von der bisherigen Rechtsprechung abweichen wollte, oder eine formalen Aspekten geschuldete Einzelfallentscheidung vorliegt. In jedem Fall zeigt der Fall aber, dass auch bei Nutzung von fremden Werken im politischen und antithematischen Kontext Vorsicht geboten ist und kein Freibrief für Eingriffe in urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte Dritter besteht.