Europäische Kommission veröffentlicht Entwurf mit neuen Regeln für die Ausgabe und den Handel mit Token.
1. EU-weite Regeln für Kryptomärkte
Lange wurde über eine EU-weite Regulierung der Kryptomärkte bloß gesprochen, nun ist es endlich soweit: Mitten in der COVID-Krise veröffentlichte die Europäische Kommission vor kurzem den ersten Entwurf einer Verordnung zur Regulierung der "Markets in Crypto-Assets" ("MiCA-VO") vorgelegt (COM(2020) 593 final).
2. Rechtsrahmen hängt von Art des Tokens ab
Die Verordnung soll den Vertrieb und Handel und die Ausgabe von digitalen Währungen und Krypto-Assets zukünftig in der EU einheitlich regeln. Der über 160 Seiten lange Entwurf teilt Krypto-Assets dafür in unterschiedliche Kategorien ein und sieht dafür jeweils spezifische Melde- und Aufsichtsbefugnisse vor:
- Asset-Referenced Token: Das sind wertstabile Token, die auf mehrere Assets verweisen (zB Fiat-Währungen wie EUR oder USD, Rohstoffe oder andere Krypto-Assets) und als Tauschmittel eingesetzt werden. Klassisches Beispiel sind alle Arten von Stablecoins wie auch Libra.
- E-Money Token: Das sind Token, die genau eine Fiat-Währung abbilden und als Tauschmittel eingesetzt werden. Ein Beispiel ist der USD-Coin, der den USD abbildet.
- Utility Token: Das sind Token, die einen digitalen Zugriff auf Anwendungen, Dienste oder Ressourcen ermöglichen und nur vom Emittenten angenommen werden können (auch "Krypto-Gutscheine" genannt. Ein Beispiel ist der filecoin, der gegen Datenspeicher in der Cloud "eingetauscht" werden kann.
3. Regeln für die Ausgabe von Token
Die MiCA-VO regelt unter anderem die Ausgabe von bestimmten Token.
Die Ausgabe von Asset-referenced Token setzt zum Beispiel die Genehmigung eines Whitepapers durch die lokale Aufsichtsbehörde, in Österreich die FMA, voraus. Außerdem dürfen Emittenten nur juristische Personen mit Sitz in der EU sein, die über ein jederzeit verfügbares Eigenkapital von mindestens EUR 350.0000 verfügen. Wer innerhalb von zwölf Monaten solche Token im Gegenwert von mehr als fünf Millionen Euro ausgibt, braucht außerdem eine Konzession der lokalen Aufsichtsbehörde. Der Vorteil: Wie auch sonst bei aufsichtsrechtlichen Konzessionen üblich, ist diese dann im gesamten Unionsgebiet gültig (Passporting). Ausnahmen gibt es insbesondere für das ausschließliche Angebot an professionelle Anleger.
E-Money-Token sollen gemäß dem Teil IV des Verordnungsentwurfs nur durch Kreditinstitute und E-Geld-Institute herausgeben werden dürfen. Der Emittent muss ebenfalls ein Whitepaper erstellen und der zuständigen nationalen Behörde anzeigen.
Wird ein Asset-referenced Token oder E-Money Token als "signifikant" eingestuft, unterliegt die Zulassung nicht mehr der lokalen Behörde, sondern der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde. "Signifikant" ist ein Token, wenn drei der folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: (i) Der Token wird von mehr als zwei Millionen Nutzer verwendet, (ii) die Marktkapitalisierung ist höher als eine Milliarden EUR, (iii) es erfolgen mehr als eine halbe Million Transaktionen pro Tag, (iv) es werden mehr als 100 Millionen EUR pro Tag transferiert, (v) die Reserve beträgt mehr als eine Milliarde EUR oder (vi) der Token wird in mindestens sieben EU-Mitgliedstaaten verwendet.
Emittenten von anderen Krypto-Assets (die nicht Asset Referenced oder E-Money Token sind) haben die Ausgabe der Assets nach Teil II des Entwurfs zukünftig der lokalen Aufsichtsbehörde, in Österreich wie oben erwähnt also der FMA, zwanzig Tage vor Veröffentlichung mit einem Whitepaper anzuzeigen. Das Whitepaper hat die wesentlichen Merkmale der Krypto-Assets (wie zB Beschreibung der dahinterstehenden Technologie, der Rechte und Pflichten sowie daran gebundene Risikohinweise) und den konkreten Anbieter zu enthalten. Die nationalen Aufsichtsbehörden können Emittenten die Verbesserung oder Ergänzung der Whitepaper auftragen oder auch die Emission des Krypto-Assets untersagen.
Klassische Security Token und Security Token Offerings (STO) sind übrigens ausdrücklich von der MiCA-VO ausgenommen. Sie unterliegen als Finanzinstrumente weiterhin insbesondere dem Regime der MiFID II, in Österreich also dem WAG 2018.
Ausnahmen gibt es auch, wenn ausschließlich an professionelle Anleger angeboten wird oder Umsatz oder Gesamtgegenwert der Token bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten. Im Einzelnen sind die Ausnahmen recht technisch und müssen individuell betrachtet werden.
4. Neue Anforderungen für Crypto Asset Service Provider (CASP)
Nicht nur für Emittenten von Token, sondern auch für die Dienstleister der Kryptobranche, wie zB Walletbetreiber, Exchanges und Tradingservices gibt es erstmals verbindliche Anforderungen. Diese sogenannten Crypto Asset Service Provider ("CASP") müssen juristische Personen mit Sitz in der EU sein und in ihrem Herkunftsmitgliedsstaat über eine entsprechende Konzession der lokalen Aufsichtsbehörde, in Österreich also die FMA, verfügen. Diese prüft die Voraussetzungen, zB ob die Mindestkapitalanforderungen eingehalten werden und ob angemessene interne Kontrollmechanismen und wirksamen Risikomanagementverfahren umgesetzt wurden. Zusätzlich muss die Geschäftsleitung ihre Zuverlässigkeit und ihre fachliche Eignung nachweisen. Wie bei den Emittenten von Asset-referenced Token gilt: Hat der CASP die Konzession in einem Mitgliedsstaat erhalten, darf er über das "Passporting" auch in allen anderen Mitgliedstaaten tätig sein.
Jedenfalls müssen CASP stets im besten Interesse ihrer Kunden handeln. Außerdem treffen CASP je nach Tätigkeit spezifische Verpflichtungen, wie zB die strenge Vermögenstrennung, das Verbot des Handelns im eigenen Namen, Transparenzgebote, Abwicklungsverpflichtungen und die Verhinderung von Interessenskonflikten. Die Vorgaben orientieren sich eng an den vergleichbaren Vorschriften im Wertpapieraufsichtsbereich.
5. Verhinderung von Marktmissbrauch
In der Vergangenheit machten Kryptobörsen immer wieder mit Vorwürfen von Marktmissbrauch Schlagzeilen. Die FMA veröffentlichte sogar eine eigene Seite mit den "beliebtesten" Tricks. Diese "Wild West"-Mentalität schreckte viele Privatinvestoren und professionelle Investoren gleichermaßen vor einer Investition zurück. Der Entwurf enthält deshalb ebenfalls lang ersehnte Regeln zur Verhinderung von Missbrauch des Krypto-Asset-Marktes.
Insbesondere werden im Zusammenhang mit zugelassenen Krypto-Assets Insiderhandel, Offenlegung von Insiderinformationen und sonstige Marktmanipulationen verboten. Wer dagegen verstößt, muss mit gesalzenen Strafen rechnen: Der Verordnungsentwurf verlangt von den Mitgliedsstaaten die Implementierung sehr hoher Strafrahmen. So sollen von den Mitgliedsstaaten für einigen Verstöße von natürlichen Personen Höchststrafen von mindestens EUR fünf Millionen und gegen juristische Personen von mindestens EUR 15 Millionen oder bis zu 15 % des konzernweiten Jahresumsatzes vorgesehen werden.
6. Sonstige Entwicklungen am Krypto-Markt
Auch die EZB hat vor kurzem einen längeren Report zur möglichen Umsetzung eines "digitalen Euros" veröffentlicht. Der von der EZB entworfene E-Euro soll aber kein Krypto-Asset oder Stablecoin werden, sondern eine (echte) virtuelle Währung.
Die EZB schlägt zwei Varianten der Umsetzung vor: In der ersten "zentralen" Variante erfasst und kontrolliert die EZB alle Transaktionen. In der zweiten "dezentraleren" Variante soll mit mehreren regulierten Anbietern anhand vordefinierter Regeln zusammengearbeitet werden. Durch das Aufsetzen des digitalen Euros auf die Blockchain soll er leicht zugänglich sein sowie rechtskonform und (international) zeiteffizient transferiert werden können.
Der EZB-Rat hat bislang noch keinen Beschluss über die Einführung des digitalen Euro gefasst. Allerdings steht er in regem Austausch mit Interessensträgern und internationalen Partnern. Zusätzlich werden bereits mögliche Gestaltungsformen getestet. Voraussichtlich Mitte 2021 wird der EZB-Rat dann entscheiden, ob und wie (das heißt mit welcher der beiden Varianten) das Projekt "digitaler Euro" umgesetzt wird.
Alle zu beobachtenden Entwicklungen reflektieren jedenfalls die voranschreitende Digitalisierung und Nutzung der Distributed Ledger-Technologie (DLT) der Finanzmärkte. Dazu zählt auch, dass der Zahlungsdienstleiter PayPal Bitcoin kürzlich in seine Serviceleistungen integriert hat. Dadurch kann Bitcoin nun für alle mit Paypal bezahlbaren Transaktionen genutzt werden – ein weiterer Schritt von Kryptowährungen in Richtung "Realwirtschaft".
7. Fazit und Ausblick
Der Entwurf der MiCA-VO und die Initiativen zum Schaffen eines echten E-Euro zeigen: Auch die EU reagiert (endlich) mit angemessenem Weitblick auf die rasanten Entwicklungen des Krypto-Markts. Dabei ist die EU offensichtlich nicht nur an der Blockchaintechnologie für eigene Projekte interessiert, sondern möchte auch gegenüber anderen Nationen (insbesondere China und USA) den Anschluss nicht verlieren: "This proposal supports a holistic approach to blockchain and DLT, which aims at positioning Europe at the forefront of blockchain innovation and uptake."
Ob die EU damit wirklich an die forefront der Kryptowelt gelangt, bleibt abzuwarten. Mit der MiCA-VO schafft sie jedenfalls eine regulatorische Harmonisierung für das ganze Unionsgebiet und damit eine gute Ausgangsbasis für die weitere Entwicklung des Kryptobereichs innerhalb der EU. Die so entstehende Rechtssicherheit über nationale Grenzen hinweg macht es nicht nur für Unternehmer einfacher, in diesem Bereich Fuß zu fassen, sondern stiftet auch bei Verbrauchern eine Vertrauensbasis zur Nutzung von Krypto-Assets. So haben in der Vergangenheit immer wieder Marktmissbrauchsskandale für Aufsehen gesorgt – die neuen Regeln samt prohibitiver Strafen tragen hoffentlich dazu bei, dass so etwas zukünftig seltener vorkommt.
Der Verordnungsentwurf befindet sich derzeit im Konsultationsstadium. Die MiCA-VO soll mit Anfang 2022 in Kraft treten. Bis dahin bleibt Emittenten von Token und sonstigen Krypto-Dienstleistern also noch Zeit, sich auf den neuen Rechtsrahmen vorzubereiten. Eines ist bereits jetzt klar: Die MiCA-VO wird für die Kryptowelt ein Game Changer. Wer sich rechtzeitig damit beschäftigt, kann die neuen Regeln für sich nutzen.