Hintergrund:
Im Jahr 2013 haben 25 EU-Mitgliedstaaten das Übereinkommen über das einheitliche Patentgericht ("EPGÜ") unterzeichnet. Das ist ein völkerrechtlicher Vertrag und Teil des Regelungspakets zur Einführung eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung. Ein solches unmittelbares, einheitliches Patent in den Mitgliedsstaaten wird bereits seit Jahrzehnten gefordert und diskutiert. Es soll eine Vereinfachung der Anmeldung, einen unmittelbaren Schutz in den teilnehmenden Staaten und damit Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen im Patentwesen bringen. Das aktuelle Europäische Patent ermöglicht zwar eine gemeinsame Patentanmeldung in ausgewählten Ländern. Im Endeffekt erhält der Anmelder aber lediglich ein Bündel an unabhängigen, nationalen Patenten, die zudem dem jeweiligen nationalen Recht unterliegen. Das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung soll dagegen – vergleichbar mit der Unionsmarke – einen einheitlichen Schutz in allen teilnehmenden Ländern gewähren.
Mit der Einrichtung des einheitlichen Patentgerichts soll zudem auch die Rechtsdurchsetzung erleichtert werden: Das EPGÜ sieht dafür ein einheitliches Gericht vor. Dieses soll seinen Sitz in mehreren Staaten haben und für eine Reihe von Streitigkeiten – inbs Klagen wegen Patentverletzungen oder über den Bestand von Patenten – ausschließlich zuständig sein. Voraussetzung des Inkrafttretens des EPGÜ ist, dass das Übereinkommen von 13 Staaten, darunter zwingend Deutschland, Großbritannien und Frankreich, ratifiziert wird.
Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts:
Das der Ratifikation vorgelagerte deutsche Zustimmungsgesetz wurde im März 2017 vom deutschen Bundestag einstimmig angenommen. Es sollte den Weg für die deutsche Ratifikation des EPGÜ ebnen. Pikant dabei: Bei der Abstimmung waren bloß 35 Abgeordnete anwesend. Ein Düsseldorfer Anwalt hat das Gesetz unmittelbar nach dessen Beschluss mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffen. Sein Vorhalt ist, dass das Gesetz nationale Kompetenzen auf ein supranationales Gericht übertrage.
Das Deutsche Bundesverfassungsgericht ist nun dieser Argumentation gefolgt und hat das Zustimmungsgesetz zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ-ZustG) per Beschluss vom 13.2.2020 für nichtig erklärt. Das Gesetz bewirke nämlich eine materielle Verfassungsänderung. Diese erfordert eine Zwei-Drittel-Mehrheit aller Abgeordneten, die jedoch nicht erreicht wurde. Da die Ratifikation auch durch Deutschland eine Voraussetzung des Inkrafttretens ist, ist dieses nun zumindest für ungewisse Zeit aufgeschoben.
Ausblick:
Es kommt aber noch schlimmer für das europäische einheitliche Patent: Die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts ist nämlich nur der jüngste Rückschlag. Vor etwa einem Monat hat die britische Regierung bekannt gegeben, dass das Vereinigte Königreich trotz eigentlich bereits erfolgter Ratifikation des EPGÜ nicht am einheitlichen Patentsystem teilnehmen wird. Damit ist eine Abänderung des EPGÜ zwingend notwendig, als eines von drei zwingenden Ratifikationsländern nun wegfällt. Dazu ist nun auch eine neuerliche Beschlussfassung des Deutschen Bundestags notwendig. Bislang hat das einheitliche Patentsystem in Deutschland breiten politischen Rückenwind erhalten. Gerade mit dem Ausscheiden Großbritanniens ist es aber fraglich, ob das weiterhin so sein wird. Nicht zuletzt hat die deutsche Bundesregierung im August 2019 festgehalten, dass "die tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen [des Brexits] im Hinblick auf das Übereinkommen geprüft und auf europäischer Ebene abgestimmt" werden müssen.
Der neuerliche Gesetzesbeschluss mit Verfassungsmehrheit wird damit voraussichtlich nicht zum bloßen Formalakt, sondern eine vorgelagerte inhaltliche Debatte auslösen. Damit wird das Inkrafttreten des einheitlichen Patents wohl um weitere Jahre verzögert werden.