EuGH vom 6.12.2017, Rs. C-230/16
In seiner Entscheidung vom 6.12.2017 in der Sache Coty hat der Europäischen Gerichtshofes (EuGH) wesentliche kartellrechtliche Fragen des Internetvertriebs geklärt. Ursprung der Rechtsstreitigkeit war eine Auseinandersetzung zwischen Coty Germany GmbH, einem Hersteller von Kosmetikprodukten, und einem ihrer Vertragshändler über in einer selektiven Vertriebsvereinbarung enthaltene Online-Vertriebsbeschränkungen.
Entscheidend war zunächst die Frage, ob das Luxusimage eines Markenprodukts überhaupt ein selektives Vertriebssystem rechtfertigt. Dies war vor allem von deutschen Gerichten in den letzten Jahren unter Berufung auf die Entscheidung des EuGH in der Sache Pierre Fabre (C-439/09) in Zweifel gezogen worden. In Coty stellt der EuGH nun klar, dass die Sicherstellung des Luxusimages von Produkten ein selektives Vertriebssystem rechtfertigen kann. Sind die Qualitätskriterien des Systems objektiv, einheitlich, und gehen sie nicht über das erforderliche Maß hinaus, so ist das selektive Vertriebssystem mit dem Kartellverbot vereinbar (außer, es wird diskriminierend angewendet).
Überdies klärt der EuGH, in welchem Umfang Hersteller den Internetvertrieb durch ihre selektiven Vertriebspartner beschränken dürfen. In Pierre Fabre hatte der EuGH ein Totalverbot des Vertriebs über das Internet als kartellrechtlich unzulässig beurteilt. In Coty ging es hingegen nicht um ein derartiges Totalverbot, sondern um das Verbot des Verkaufs über Drittplattformen (wie Amazon Marketplace oder eBay). Solche Verbote können nach Ansicht des EuGH in einem selektiven Vertriebssystem zum Schutz des Luxusimages von Produkten erforderlich und daher mit dem Kartellverbot vereinbar sein. Auch ein solches Verbot muss aber verhältnismäßig sein und einheitlich für alle Händler gelten. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss letztlich ein Gericht entscheiden. Die Entscheidung des EuGH legt allerdings nahe, dass an die Verhältnismäßigkeit eines Plattformverbots keine allzu strengen Maßstäbe angelegt werden sollten.
Doch selbst wenn diese Kriterien nicht erfüllt sein sollten, kann ein Plattformverbot unter Umständen rechtmäßig sein. Nach Coty-Entscheidung stellt ein solches Verbot nämlich keine Kernbeschränkung im Sinne der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen (Verordnung (EU) Nr. 330/2010) dar. Wird die 30%-Marktanteilsgrenze dieser Verordnung von keiner Partei überschritten, so gilt ein zwischen den Parteien vereinbartes Plattformverbot daher als rechtmäßig.