Breaking News: Schlussanträge von Generalanwalt Sánchez-Bordona- Schadenersatz bei bloßer DSGVO Verletzung und Ärger verneint

Im Jahr 2019 wurde bekannt, dass die Österreichische Post AG errechnete Parteiaffinitäten ohne vorherige Einwilligung der Betroffenen verarbeitet. Damit sollte es möglich sein, zielgerichtete Werbung an Kunden zu versenden. Ein Betroffener hat auf dieser Basis Klage erhoben und immateriellen Schadenersatz iHv EUR 1.000,- gefordert. Nachdem das Zahlungsbegehren in den ersten beiden Instanzen mangels eines tatsächlich eingetretenen ideellen Schadens abgewiesen wurde, hat sich der Betroffene an den OGH gewandt. Da die Frage der Voraussetzungen für immateriellen Schadenersatz nach der DSGVO weitgehend ungeklärt und eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts geboten ist, hat der OGH das Verfahren 6 Ob 35/21x ausgesetzt und Fragen zur Vorabentscheidung an den EuGH vorgelegt. Insbesondere soll damit geklärt werden, ob der Zuspruch von Schadenersatz nach Art 82 DSGVO neben einer Verletzung von Bestimmungen der DSGVO den Eintritt und Nachweis eines tatsächlich erlittenen Schadens erfordert, oder ob die Verletzung der DSGVO als solches den Schadenersatzanspruch begründet. Für den ersten Fall – Nachweis eines Schadens erforderlich –soll auch geprüft werden, ob für den Zuspruch ein Erfordernis einer Rechtsverletzung von zumindest erheblichem Gewicht, die über den dadurch hervorgerufenen Ärger hinausgeht, verlangt werden darf. So ist die bisherige Position der österreichischen Gerichte.

Das Thema der Anspruchsvoraussetzungen und Umfang eines etwaigen immateriellen Schadenersatzanspruches nach DSGVO Verstößen ist europaweit umstritten. Neben einigen nationalen Gerichtsentscheidungen, vor allem in Deutschland, sind auch weitere EuGH Vorabfragen anhängig. DORDA hat laufend in als auch im Rahmen von Clarity Talks  darüber berichtet.

In der österreichischen Causa wurden heute die Schlussanträge des Generalanwalts veröffentlicht (C-300/21):

Nach der Ansicht des Generalanwalts reicht eine bloße Verletzung der DSGVO nicht aus, um einen immateriellen Schadenersatz auszulösen: Die Verordnung enthalte keine Bezugnahme auf einen Sanktionscharakter bzw eine Funktion der abschreckenden Wirkung des Schadenersatzes. Auch kann ein reiner Kontrollverlust über die eigenen Daten nicht zwangsläufig zum Ersatz führen. Die DSGVO würde nicht darauf abzielt, die Kontrolle des Einzelnen über die ihn betreffenden Daten zum Maß aller Dinge zu machen.

Darüber hinaus soll der Schadenersatz auch dann nicht gebühren, wenn ein Verstoß bei der betroffenen Person lediglich zu Zorn oder Ärger führt. Hier stünden dem Betroffenen andere – wirkungsvolle – Möglichkeiten zur Verfügung, um sich gegen den Datenschutzverstoß zu wehren. So steht ihm insbesondere eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde und der Anspruch auf Löschung der Daten offen. Der Generalanwalt setzt diese (scharfen) Instrumente einem potentiellen Schadenersatzanspruch gleich.

Der Generalanwalt betont jedoch, dass die Grenze zwischen bloßem – nicht ersatzfähigen – Ärger und echtem – ersatzfähigen – immateriellen Schaden unscharf ist. Sofern der Betroffene die Zuordnung als einer Partei affin für beleidigend hält, unterliegt es dem nationalen Gericht herauszufinden, ob dieser Unmut so schwerwiegend ist, dass er doch als immaterieller Schaden ersetzt werden könne.

Ausblick

Die vorliegenden Schlussanträge sind ein deutliches Zeichen gegen das Ausufern von immateriellen Schadenersatzansprüchen. In der Praxis konnte man die letzten Jahre eine deutliche Zunahme an entsprechenden Forderungen sehen. Oftmals wurden bei kleinen Verstößen reflexartig relativ hohe Summen gefordert. Für die Lebbarkeit des an sich schon sehr strengen Schadenersatzregimes und zur Wahrung der Vorhersehbarkeit von Haftungen ist der Ansatz des Generalanwaltes zu begrüßen. Es bleibt daher spannend, ob der EuGH – wie sehr oft – den Schlussanträgen folgt, oder ob es hier noch zu Abweichungen kommt. Wir halten Sie über die weitere Entwicklung in diesem - aber auch den Parallelverfahren – weiter auf dem Laufenden.