Wenn Sie noch nie von BeNeLuxA gehört haben, dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Die Handvoll Pharma-Insider, die sich damit beschäftigen, sind allerdings davon überzeugt, dass die BeNeLuxA Initiative – und ähnliche pan-europäische Kooperationen – die Zukunft für die strategische Planung und Umsetzung der Gesundheitspolitik sind und die Market Access Teams der Pharmabranche, die die Strategie für den Markteintritt eines Arzneimittels planen und umsetzen, bald vor ganz neue Herausforderungen stellen werden.
Was ist also BeNeLuxA?
BeNeLuxA ist eine Initiative, die von den Niederlanden und Belgien im April 2015 ins Leben gerufen wurde. Im September 2015 trat dann Luxemburg bei, gefolgt von Österreich im Juni 2016. Die Initiative umfasst sohin derzeit 37 Millionen Bürger. Ziel der Initiative ist eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedsländer in den Bereichen Horizon Scanning (= die Identifizierung zukünftiger Gesundheitstechnologien), Informationsaustausch, Health Technology Assessment und gemeinsame Preisverhandlungen der Pharma-Branche (Medizinprodukte sind derzeit – noch nicht – erfasst). Die Länder erhoffen sich dadurch eine stärkere Verhandlungsmacht gegenüber der Industrie bei Preisverhandlungen sowie einen Informationsvorsprung durch den intensiven Austausch von Wissen und Erfahrung.
Ist BeNeLuxA der Anfang eines einheitlichen EU-Erstattungssystems?
Experten sind sich einig, dass nicht mit einem gemeinsamen EU-Arzneimittel-Erstattungssystem zu rechnen ist und sohin die Preisfestsetzung für Arzneimittel - und vor allem deren Erstattung durch die Versicherungsträger – weiterhin jedem Mitgliedsland autonom überlassen wird. Jedoch wird die Zusammenarbeit der Länder in Zukunft intensiviert werden und die Ergebnisse hiervon werden verstärkt in die nationalen Erstattungsentscheidungen einfließen. Es zahlt sich daher aus, sich die einzelnen Säulen der BeNeLuxA Initiative etwas genauer anzusehen:
Horizon Scanning
In diesem Bereich der Zusammenarbeit werden neue Gesundheitstechnologien, von denen man eine wesentliche Auswirkung auf das Gesundheitssystem erwartet, identifiziert.
Die Niederlande haben hierfür schon ein Horizon Scanning System samt Datenbank eingeführt, das als Vorlage für das Horizon Scanning der BeNeLuxA Initiative dienen wird. Die Datenbank ist öffentlich und beinhaltet nicht nur Informationen über Anwendungsbereich, voraussichtliches Datum der Erteilung der Zulassung und Dosierung (unter anderem), sondern auch finanzielle Parameter wie zB voraussichtliche Kosten pro Patient und voraussichtliche Auswirkung auf das Budget. Die finanziellen Daten werden vor allem aus anderen Ländern hergeleitet, wie aus den USA, Australien und Japan.
Informationsaustausch
Dem Thema Informationsaustausch nimmt sich vor allem Österreich an. In diesem Bereich gibt es derzeit zwei Schwerpunkte: (i) Aufbau von Patientendatenbanken, um auch bei seltenen Krankheiten eine entsprechende Patientenpopulation identifizieren zu können, und (ii) Austausch von Informationen aus nationalen Preisverhandlungen und Erstattungsverfahren.
Health Technology Assessments (HTAs)
Die Zusammenarbeit in diesem Bereich umfasst, gemeinsame HTAs, die Anerkennung der HTAs der anderen Mitgliedsländer, die Verwendung von einzelnen Teilen von HTAs der anderen Mitgliedsländer oder die Abgabe zweiter Opinions für HTAs anderer Mitgliedsländer. Hier wurden schon konkrete Projekte umgesetzt, wie zB für die Arzneimittel Orkambi (eine Tablette gegen Mukoviszidose) oder Vyndaqel (indiziert für die Behandlung der seltenen Erkrankung familiäre Amyloid-Polyneuropathie).
Gemeinsame Preisverhandlungen
Das Ziel dieser Säule der Initiative liegt auf der Hand. Allerdings ist diese Säule auch die, die am meisten Widerstand von der Pharmaindustrie bekommt und zudem auch schwierige rechtliche Hürden meistern muss. Selbst wenn es nämlich eine erfolgreiche gemeinsame Preisverhandlung gäbe, so müsste das Ergebnis dieser Verhandlung erst in rechtskonformer Weise Eingang in das nationale Erstattungsverfahren finden.
Herausforderung
BeNeLuxA - und ähnliche Initiativen in Europa – bedingen, dass die Pharmaindustrie ihre Strategie im Bereich Pricing & Reimbursement/Erstattung auch darauf ausrichten muss, dass es in Zukunft zwischen Ländern einen regen Informationsaustausch geben wird. Man wird sich nicht mehr darauf verlassen können, dass vereinbarte – nicht veröffentlichte – Preise auch tatsächlich geheim bleiben und sohin das Pricing in anderen Ländern nicht beeinflussen. Es wird essentiell sein, dass die Pharmaindustrie mit den betroffenen Ländern Geheimhaltungsvereinbarungen für die oben genannten Zwecke schließt, damit vertrauliche Informationen, auch tatsächlich vertraulich bleiben.
Sicher ist allerdings, dass diese Initiativen aktuell zwar noch in den Kinderschuhen stecken, aber nicht mehr aufzuhalten sind. Irland hat schon angekündigt, BeNeLuxA beizutreten, und die Schweiz, Italien und Frankreich (!) haben großes Interesse bekundet. Die Zukunft des Market Access hat also schon begonnen.