Alle sprechen über die EU-Lieferketten-Richtlinie. Dabei ist eine viel strengere Lieferketten-Gesetzgebung längst in Kraft: Die europäische Entwaldungs-VO (EU-Deforestation Regulation). Die Entwaldungs-VO geht weit über das hinaus, was die EU-Lieferketten-Richtlinie selbst in ihrer strengsten Fassung vorsieht.
Im Folgenden beleuchten wir die wichtigsten Punkte.
Worum geht es?
Bestimmte Produkte tragen stark zur weltweiten Entwaldung und Waldschädigung bei. Die europäische Holzhandels-VO regulierte schon seit längerem den Vertrieb solcher Produkte im Europäischen Wirtschaftsraum. Die Entwaldungs-VO ist ihre, deutlich strengere Nachfolgerin.
Anders als die Holzhandels-VO geht die Entwaldungs-VO aber über den Schutz vor Waldschädigung hinaus. Insbesondere sind auch – wie im Bereich der EU-Lieferketten-RL – arbeitsrechtliche und menschenrechtliche Aspekte geschützt.
Was ist zu tun?
Die Entwaldungs-VO ist im Detail kompliziert und legistisch unübersichtlich. Grob kann man sagen, dass "Marktteilnehmer" und "Händler" von relevanten "Erzeugnissen" erfasst sind. Das bedeutet:
- "Marktteilnehmer" ist, wer relevante Erzeugnisse in den Europäischen Wirtschaftsraum einführt oder ausführt.
- "Händler" ist, wer bereits eingeführte relevante Erzeugnisse kauft und verkauft.
- Die relevanten "Erzeugnisse" stehen in einer Liste im Anhang der Entwaldungs-VO. Es handelt sich um Sachen, die zB Holz, Papier, Kakao, Kaffee oder Soja enthalten. Aber zum Beispiel auch Rinder. Es gibt dabei keine Schwellenwerte. Bereits ein Splitter Holz im Erzeugnis reicht, um es der Entwaldungs-VO zu unterwerfen.
Die konkreten Pflichten richten sich nach der Position in der Lieferkette und nach der Unternehmensgröße. Grob kann unterschieden werden:
- Garantie der Konformität: Unternehmen müssen garantieren, dass die Erzeugnisse "entwaldungsfrei" und "im Sinn der einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt" (sogenannte "Legalität") sind. Beides ist herausfordernd. "Entwaldungsfreiheit" schließt auch vergangene Waldschädigungen ein – zurück bis 31.12.2020. Und die Legalität beinhaltet zB Übereinstimmung mit Arbeitnehmer:innen-Rechten, aber auch ganz pauschal mit "völkerrechtlich geschützten Menschenrechten". Der wesentliche Unterschied zur EU-Lieferketten-Richtlinie und zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Die Übereinstimmung muss garantiert werden. Bloßes Bemühen reicht nicht.
- Sorgfaltserklärung: Unternehmen müssen die Konformität außerdem öffentlich in einer sogenannten Sorgfaltserklärung bestätigen. Dieser muss ein Prozess vorausgehen, der Information, Risikobewertung und Risikominderung beinhaltet.
Ab wann gilt die Entwaldungs-VO?
Die Entwaldungs-VO ist schon Gesetz. Sie entfaltet ihre Wirkung ab dem 30.12.2024. Kleinst- und Kleinunternehmen haben noch bis zum 30.6.2025 Zeit.
Die Holzhandels-Verordnung wird zwar von der Entwaldungs-VO abgelöst. Sie bleibt jedoch parallel anwendbar für Holzeinschläge vor dem 29. Juni 2023 oder wenn das Erzeugnis zwischen dem 30. Dezember 2024 und dem 30. Dezember 2027 in Verkehr gebracht wurde.
Wie sehen die Rechtsfolgen aus?
In Österreich ist das Bundesamt für Wald für die Beaufsichtigung zuständig. Die Behörde hat regelmäßig Kontrollen von sich aus oder aufgrund von Hinweisen Dritter durchzuführen. Die Kontrollen können ohne vorherige Ankündigung erfolgen. Die Verwaltungsstrafen müssen als Höchststrafe mindestens 4 % des weltweiten Umsatzes vorsehen.
Es gibt außerdem zivilrechtliche Folgen. Verstöße können Schadenersatz begründen. Mitbewerber:innen können aufgrund UWG klagen. Außerdem gibt es andere Sanktionsmöglichkeiten, wie vorübergehender Ausschluss von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge.
Zusätzlich sind wie immer Reputationsfolgen im Zusammenhang mit Lieferkettenverstößen besonders bedrohlich.
Wie weiter?
Wie schon bei der Holzhandels-VO können Zertifikate helfen. Es handelt sich dabei aber immer nur um eine inhaltlich eingeschränkte Stichtagsbetrachtung. Die Entwaldungs-VO hält deshalb klar fest, dass weder eigene Zertifikate noch die Zertifizierung von Lieferant:innen von der selbständigen Beschäftigung mit der Entwaldungs-VO entbindet.
Entscheidend ist stattdessen Verständnis des systematisch herausfordernden Geseztestexts und Kenntnis des Marktstandards. Die Entwaldungs-VO enthält vielfältige Pflichten. Aber auch genug Ansatzpunkte, um sie pragmatisch umsetzen zu können.